Literarische Helden (3) – Michel Houellebecq

 

Er ist einer meiner ganz großen literarischen Helden. Trotzdem kann ich mir nie merken, wie sein Nachname geschrieben wird. Muss immer wieder nachschauen. Und beim nächsten Mal mach ich es wieder falsch. Dieses „cq“ am Ende will mir nicht in den Schädel. Aber warum sollte dieser Mensch auch einen einfachen Namen haben? Wo doch so gar nichts an ihm glatt und wohlgefällig ist. Weder innerlich noch äußerlich. Die neuesten Aufnahmen, die ihn bei der Vorstellung seines neuen Romans zeigen, machen mir Angst. Krank und verwahrlost sieht er aus. „Ich bin dabei zu krepieren“ sagt er über sich in einem ZEIT-Interview. Er hat sich scheinbar aufgegeben. Die ungeliebten Eltern endlich tot, der geliebte Hund aber leider auch. Nun ist scheinbar nichts mehr da, was sich noch zu hassen oder lieben lohnt.

Sich selbst zu lieben, hat er nie gelernt. Ein glücklicher, selbstzufriedener Autor von zahlreichen Weltbestsellern, der mit einem charmanten Lächeln auf sein vielfach ausgezeichnetes Lebenswerk blickt – bei ihm leider unvorstellbar.

Das ist gut für uns Leser – denn ohne das Wechselspiel von Egozentrik und Selbstüberschätzung, Frustration und Selbsthass würde es den Autor Michel Houellebecq nicht geben. Das Werk lebt von seinen psychischen Problemen. Den Menschen Houellebecq wird das aber in absehbarer Zeit ins Grab bringen. Aber als Autor ist er schon jetzt unsterblich.

Dabei hat er gar nicht so viel geschrieben. Mit dem neuen Buch „Unterwerfung“ sind das gerade mal sechs Romane. Und jeder einzelne davon ein Skandal. Indignez-vous – empört Euch – in Frankreich ist das bei jeder Houellebecq’schen Buchpremiere zur schönen Gewohnheit geworden. Er gilt als Rassist, Frauenhasser, Reaktionär oder auch als perverser Triebtäter und Sektenfreund. Das bringt es so mit sich, wenn man als Ich-Erzähler schreibt und einige seiner Figuren auch noch Michel nennt. Da wird dann nicht mehr unterschieden zwischen dem Protagonisten und dem Autor.

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Natürlich hat er das gewollt. Natürlich war das immer auch Kalkül. Ich will nicht wissen, wie viele Autoren versucht haben, das nachzuahmen. Ein kleiner Skandal und schon gehen die Verkaufszahlen durch die Decke. Aber das muss man erst mal schaffen, in einer Zeit, wo niemanden auch nur irgendetwas noch überrascht, geschweige denn empört. Houellebecq hat es immer wieder geschafft und damit ausgesorgt. Was könnte er mit dem ganzen verdienten Geld für ein wunderbares Leben führen. Wenn er es sich denn selbst gönnen würde. Tut er aber nicht. Und so wird Houellebecq als tragische Gestalt schon bald verschwinden, in seinen Werken aber weiterleben. Als trauriger Mann mit Zigarette.

(Heute erscheint sein neuer Roman „Unterwerfung“ bei Dumont)

6 Kommentare

  1. Bin nach deiner Rezension nun noch stärker überzeugt davon, mehr von Houellebecq lesen zu wollen (kannte bisher nur „Lanzarote“).
    Doch nach der Lektüre von „Unterwerfung“ und ganz besonders nach deiner Hommage an Michel, ist mir klar geworden: man kann seine Romane nicht ignorieren. Ein Autor, der schon zu Lebzeiten Kult ist –
    Ganz oben auf meinem Lesestapel warten jetzt „Kampfzone“ und „Karte und Gebiet“.
    Dir einen schönen Tag, Masuko

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  2. Hallo Masuko,
    Du Glückliche, hast Unterwerfung schon gelesen. Ihr hattet ja letzte Woche schon eine ganze Palette davon, wie ich bei Facebook gesehen habe.
    Und? Wie war es? Schreibst Du noch darüber?

    Mein Lieblingsroman von ihm ist „Plattform“. Ich weiß allerdings nicht, ob Frauen ähnlich begeistert von dem Werk sind, denn das ist schon eine ziemliche derbe, sexuelle Männerutopie, die da beschrieben wird. Und wer macht das alles wieder kaputt? Der Islamist!

    Liebe Grüße
    Tobias

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    1. Ich bin schon beim Schreiben, feile noch hier und da ein bißchen. Es ist ja schon so viel gesagt, aber irgendwie hast du mich dazu inspiriert, jetzt selbst auf meinem Blog ein kleines Statement zu geben.
      Ach ja, die Palette … Zum Glück hatten wir die!
      Michels Roman verkauft sich so gut wie kein anderes Buch in meiner gesamten Buchhändlerzeit.
      Schöne Grüße, Masuko

      P.S. „Plattform“ kommt dann später 😉

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  3. Danke fürs Bekenntnis zum Buchstabier-Problem, endlich fühl ich mich damit nicht mehr allein… Mein Bild von Houellebecq ist auf immer mit einer Szene aus „Ausweitung der Kampfzone“ verkoppelt, in der der Erzähler im Supermarkt ein abgepacktes Tiefkühlhühnchen betrachtet – mit schmerzhafter Empathie. Geköpft, gerupft, tiefgefroren, in Folie verschweißt, zur Ware gemacht. Gedanklich sehe ich Houellebecq oft als dieses Hühnchen, und ich glaube wirklich, er selbst tut das auch.

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