Sven Heuchert – Asche

Ich hab jetzt schon vier erste Sätze geschrieben. Mit dem hier sind es Fünf. Und immer noch bin ich nicht zufrieden. Das ist es nicht. Das wird dem Buch nicht gerecht. Aber ich muss mir jetzt auch keinen abbrechen, muss jetzt keine Hammer-Rezension raushauen. Nur weil ein gewisser Sven Heuchert, so ein tätowierter Enddreißiger, mit Bart, engen Hosen und Hut, ein Nobody, ein unbeschriebenes Blatt – nur weil dieser Typ jetzt zufälligerweise ein Hammer-Buch geschrieben hat. Sein Erstes wohlgemerkt und dazu auch noch Kurzgeschichten, keinen Roman. Ach, was sage ich? Nein, keine Kurzgeschichten, auch keine Erzählungen, sondern: Stories. Das klingt cooler, so steht es auf dem Cover und so soll es auch sein. Denn diese Stories sind mit Abstand das Coolste und Abgefahrenste, was ich in letzter Zeit gelesen habe.

Aber jetzt mal der Reihe nach. Sven Heuchert kommt nicht aus Berlin und wohnt und arbeitet auch nicht dort. Und er hat es trotzdem drauf. Das allein ist schon mehr als bemerkenswert. Wie soll das gehen? Weiß ich auch nicht. Er scheint eine dieser berühmten Ausnahmen zu sein. Laut Klappentext ist er „geboren 1977 in der rheinländischen Provinz. 1994 dann Ausbildung, seitdem in Arbeit. Erste Kurzgeschichte ‚Zinn 40’ noch in der Schule. Mit 19 Umzug nach Köln. Liebe, Reisen, kleine Niederlagen, große Niederlagen, Rückkehr in die Provinz. Keine Preise.“

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Für diese Kurzvita allein müsste man ihn schon lieben. Herrlich sympathisch, kein aufgesetzter Fatzke, keiner dieser Hildesheimer, sondern ein echter Bro, ehrlich, authentisch, spannend. So wie die Protagonisten seiner Stories. Typen aus der rheinländischen Provinz. Einige davon in Arbeit, alle mit kleinen und größeren Niederlagen in der Vita, alle authentisch und spannend, alle keine Preise. Es wird gesoffen, geraucht, gevögelt und in die Fresse gehauen – typische Männergeschichten möchte man meinen. Und nun ja, warum soll man es abstreiten? Ja, das sind schon typische Männergeschichten. Vom unteren Rand der Gesellschaft, dort wo man sich als Akademiker eigentlich nur theoretisch auskennt. Da wo alles etwas einfacher gestrickt ist, Männer Knastgeschichten erzählen, ihren Klischees fröhnen dürfen und Frauen das auch noch gut finden.

Und doch ist Heuchert kein neuer Bukowski. Auch wenn Fans vom guten alten Henry Chinaski die Geschichten von Sven Heuchert super gut gefallen würden. Er selbst verortet sich irgendwo zwischen Raymond Carver und Jörg Fauser. Ich würde noch Ralf Rothmann nennen wollen aber damit soll es auch genug der Vergleiche sein. Heuchert hat diese Vergleiche nicht nötig, denn er hat es einfach drauf – einfache, verdichtete Sprache, keine komplizierten Settings, in die man sich erst reindenken muss. Er kommt bei jeder Geschichte sofort zur Sache. Nach spätestens einer halben Seite ist man in der Story. So müssen Kurzgeschichten sein – Verzeihung – so müssen Stories sein.

Wenn es etwas zu kritisieren gäbe, dann den Titel des Erzählbandes. „Asche“ – das klingt in meinen Ohren zu sehr nach Simon Beckett und führt den oberflächlichen Betrachter komplett auf die falsche Fährte. Hier bei Heuchert ist nichts geheimnisvoll und mysteriös. „Bitumen“, „Belgische Schokolade“ oder „Die schönen Frauen von Hangelar“ – das wären in meinen Augen wesentlich bessere Titel für dieses grandiose Debüt gewesen. Aber egal. Das sind alles nur Kleinigkeiten. Und sonst habe ich eigentlich nichts zu meckern.

Ich verbeuge mich vor diesem großen Talent und es bleibt mir nichts anderes zu sagen, als dass ich mit Sven Heuchert, bevor er ein großer Star wird, gerne noch ein paar Bierchen trinken würde.

Titelfoto: Sven Heuchert

8 Kommentare

  1. Man sollte sich Sven Heuchert merken. Hier schreib einfach jemand und befreit sich zugleich von der Pflicht, sein Schreiben akademisch zu reflektieren. Vieles erinnert an Rolf Dieter Brinkmann, ohne dass Heuchert den Monolith der Pop-Literatur jedoch kopierte. Klasse!

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  2. „Vom unteren Rand der Gesellschaft, dort wo man sich als Akademiker eigentlich nur theoretisch auskennt.“ Ein paar Ressentiments weniger würden der an sich ordentlichen Rezension guttun. Was meint der Rezensent denn, woher Akademiker familiär stammen? Aus dem Adel? Da hat er wohl etwas verpasst.

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