Die Sprache ist mir wichtiger als der Plot

 

Ende Juli wurde bekannt, dass Shida Bazyar für ihr Romandebüt „Nachts ist es leise in Teheran“ den mit 10.000 Euro dotierten Ulla-Hahn-Autorenpreis der Stadt Monheim am Rhein verliehen bekommt. Nach dem Urteil der Jury ist das Buch nicht nur ein wichtiger Beitrag zur aktuellen Flüchtlingsdiskussion sondern einfach ein Stück großartige Literatur. Ich habe es im Frühjahr gelesen und bin der gleichen Meinung. Auf der Buchmesse in Leipzig habe ich die Autorin zu einem Interview getroffen.

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Dein Debütroman ist seit Ende Februar auf dem Markt. Wie läuft es denn?

Das ist eine typische Frage.  Ich kann es aber gar nicht so klar beantworten, denn ich habe ja keinen Vergleichswert. Also für mich läuft es gut. Es gibt Aufmerksamkeit von der Presse, es gibt Anfragen für Lesungen – also besser kann ich es mir nicht vorstellen.

In deinem Buch geht es um die derzeit sehr aktuellen Themen „Flucht“ und „Migration“ und deswegen erfährt „Nachts ist es leise in Teheran“ noch einmal eine besondere Beachtung. Findest Du das gut oder stört dich dieser aktuelle Trend-Bezug eher?

Einerseits finde ich es gut, dass sich Menschen jetzt für diese Geschichten interessieren, medial darauf aufmerksam gemacht werden und gar nicht drum herum kommen, sich damit auseinander zu setzen. Auf der anderen Seite ist es auch ein merkwürdiges Gefühl. Denn die Geschichten sind nicht neu. Warum hat das bisher niemanden interessiert? Das hat so einen Beigeschmack, denn es sind ja Lebensrealitäten, die seit 20-30 Jahren aktuell sind und keine Trends.

Könntest Du dir vorstellen, dass dein Roman vor einem Jahr, vor der Flüchtlingskrise, auch so eine Aufmerksamkeit bekommen hätte?

Ich wünsche mir natürlich, dass Bücher in erster Linie wegen ihrer literarischen Qualität Aufmerksamkeit bekommen. Auch Abbas Khider, Senthuran Varatharajah oder Pierre Jarawan – das sind die Namen, die in diesem Zusammenhang immer genannt werden – haben ein Stück Literatur geschaffen und sollten dafür Aufmerksamkeit bekommen, aber nicht wegen des Labels, das darüber steht. Aber ja, vor einem Jahr wäre es bestimmt nicht so schnell gegangen.

Die Flucht aus dem Iran und die Migration in Deutschland ist sehr nah an deiner eigenen Biografie. Ist „Nachts ist es leise in Teheran“ die Geschichte, die du schon immer schreiben wolltest?

Ich bin nicht so strategisch an die Sache herangegangen, habe mir nicht vorgenommen, jetzt meinen Debütroman zu schreiben. Ich habe einige Dinge ausprobiert, mich zwei, drei Jahre an Themen und Perspektiven herangetastet und dabei auch schon einige Figuren, die dann später im Roman eingeflossen sind, in Kurzgeschichten angelegt.

Du hast ja in Hildesheim literarisches Schreiben studiert, arbeitest aber jetzt im sozialen Bereich. Warum?

Ja genau. Ich habe mein Studium abgeschlossen, wusste aber, ich will beides machen. Ich will einen Roman schreiben, will aber nicht nur Schriftstellerin sein. Auch wenn immer wieder Leute sagen, wenn es mit dem Buch läuft, dann brauchst du den anderen Job gar nicht mehr zu machen. Aber es geht mir nicht ums Geld. Ich finde meine beiden Berufe großartig und möchte das in Kombination miteinander machen.

Angenehm habe ich beim Lesen empfunden, dass du das Thema „Islam“ sehr zurückhaltend und fast schon beiläufig behandelt hast. Das ist bei einer islamischen Republik, wie es der Iran ist, nicht einfach. Hast du den Glauben bewusst ausgeklammert, weil religiöse Themen immer heikel und vielleicht sogar gefährlich sind?

Gefährlich ist der Roman sowieso schon. Keiner weiß, wie die iranische Regierung ihn auffasst und ob ich da je wieder hinreisen kann. Insofern ist der Drops schon gelutscht – unabhängig davon, ob ich jetzt mehr oder weniger explizit geworden wäre. In dem Roman spiegelt sich meine Sicht der Dinge wider. Einerseits eine klare atheistische Grundhaltung, andererseits aber auch großer Respekt Leuten gegenüber, denen ihr Glauben am Herzen liegt. Ich habe das selber gar nicht in mir, schlecht über den Islam zu reden. Ich denke noch nicht einmal groß drüber nach, weil mich das Thema nicht interessiert.

Bist Du der Meinung, dass es im Iran in den nächsten Jahren noch einmal eine Revolution geben könnte und eine Demokratie nach westlichem Vorbild etabliert werden könnte?

Ich glaube daran, dass das passiert. Ich weiß aber nicht, ob das in den nächsten Jahren sein wird. Ich bin auch schlecht in Prognosen, wüsste auch gar nicht, woran ich das festmachen könnte. Wenn Revolutionen passieren, ist das ja häufig sehr überraschend mit vermeintlich kleinen Auslösern. Ich wünsche es mir natürlich sehr, dass das im Iran passiert und glaube auch nicht, dass sich so ein Regime noch viel länger halten kann. Denn irgendwann siegt immer die Gerechtigkeit.

Du bewegst dich sprachlich auf einem sehr hohen, fast schon virtuosen Niveau. Lernt man das in Hildesheim?

Ich habe sehr früh mit dem Schreiben angefangen und schon als kleines Kind viel Spaß daran gehabt, meine eigenen Worte wahrzunehmen und sie zu setzen und einen eigenen Rhythmus zu finden, mich dem hinzugeben und Geschichten entwickeln zu lernen. Also, diese Freude war schon immer da. Das Studium in Hildesheim hat mir dabei geholfen, den Blick auf mein eigenes Schreiben, die Umgebung und die Literatur zu schärfen. Man lernt dort kein Handwerkszeug. Es ist ja nicht so, dass man dort gesagt bekommt, das darf man und das darf man nicht schreiben. Es ist vielmehr ein sehr intensiver Umgang mit Literatur, immer mit dem Blick darauf: Wie ist das gemacht?

Was ist dir bei deinem Roman wichtiger? Die Sprache oder der Plot?

Mit kommt es mehr auf die Sprache an. Weil es das ist, was mich beim Schreiben am meisten interessiert. Durch die Sprache entsteht erst der Plot. Also, ich sitze am Schreibtisch und tippe, bin in meinem Rhythmus und habe irgendwann den Ton gefunden –  dann ergibt sich alles.

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Hier geht es zur Buchrevier-Rezension von „Nachts ist es leise und Teheran“

 

3 Kommentare

  1. Tolles, interessantes Interview. Das Buch steht auch noch auf meiner Liste zu lesender Bücher…

    Ich bin gespannt. Deine Rezension zum Buch werde ich erst im Anschluss lesen weil ich mir lieber erst meine eigene Meinung bilde. 😊

    Liebe Grüße
    Nadine

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  2. Interessant, denn das ist ein Buch und eine Autorin, die mir bisher vollkommen entgangen ist, obwohl ich mich ja auch für das Thema interessiere und auch in Leipzig war.
    Ich habe meine Longlistenprognose auch schon gemacht und bin beim dBp auf zehn bis zwölf Bücher gekommen, die ich kenne, gelesen habe und mir vorstellen könnte, daß sie auf diese Liste kommen könnten, also wird es nächsten Dienstag sehr spannend sein, von vielen vielen Favoriten zu erfahren, von denen ich bisher keine Ahnung hatte.
    Mal sehen, ob das für den östBp anders ist, aber da besuche ich derzeit fleißig die O-Töne https://literaturgefluester.wordpress.com/2016/08/12/oe-toene-in-der-arena-21/, wo auch die Juroren hingehen oder moderieren und was, das mit der Sprache betrifft, ein Punkt, wo wir ja, glaube ich, auch verschiedener Meinung sind, da denke ich bei meiner derzeitigen Lektüre Hermann Broch „Tod des Vergils“ und Ruth Schweikert „Ohio“ viel über dieses Thema nach.
    Hermann Broch würde ich da in die Arno Schmidt Liga einreihen und sagen, das ist ein Einzelgenie, der schreibt für sich aus seiner Welt und wenn man viel Zeit hat, kann man sich in sie hineinbegeben und braucht wahrscheinlich auch den Kopf dazu, bei Ruth Schweikart war es bei mir bisher immer so, daß mich ihre schönen Bilder und assoziatives Hin- und Herwandern nicht sehr berühren konnten und das ist ja, glaube ich, immer das Kriterium, das als Erstes für ein gutes Buch genannt wird, was mich inzwischen nervt, also bin ich sehr gespannt auf dieses Buch und würde mir wünschen, daß es auf die Liste und zu mir kommt, um herauszufinden, ob es mir auch über die Sprache, den Inhalt erschließt, der ja einer sein dürfte, der mich interessieren wird.
    Liebe Grüße aus Wien bezeihungsweise Harland bei St. Pölten.

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