Buchpreis is coming home

 

So, die Chose ist gelaufen. Longlist, Shortlist, Preisverleihung, Fertig. Das war der Deutsche Buchpreis 2016. Der Gewinner heißt Bodo Kirchhoff, und er freut sich angeblich darüber, auch wenn man es ihm nicht ansieht. Die anderen fünf Shortlister verlassen mit gesenkten Kopf die Party im Frankfurter Römer. Ich treffe Thomas Melle an der Garderobe, sage ihm, dass es mir leid tut, dass er für mich der absolute Favorit war und ich die Entscheidung der Jury nicht gut finde. Doch er nickt nur dankend und zieht von dannen. Kurz überlege ich, ihm nachzurufen: Aller guten Dinge sind vier! Aber das lasse ich dann lieber bleiben. Am Mittwoch höre ich dann entsetzt, dass er sich krank gemeldet hat und alle Termine mit ihm auf der Buchmesse ausgefallen sind. *schluck*

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Währenddessen nimmt die Bodo-Kirchhoff-Show ihren Lauf. Schon bei seiner Dankesrede hatte ich den Eindruck, dass da eher Genugtuung als echte Freude aus ihm spricht. Körpersprache, Mimik und die vorbereitete Dankesrede mit dem anbiedernden Fußball-Orakel, das alles wirkte auf mich irgendwie unsympathisch. Kein Vergleich zu der herzerfrischenden Freude von Frank Witzel, dem Preisträger aus dem letzten Jahr. Und in den zahlreichen Kirchhoff-Interviews, die in dieser Woche überall zu lesen und sehen waren, verstärkte sich mein Eindruck noch.

img_8926Auch wenn Widerfahrnis in meinen Augen weder der beste Roman des Jahres noch der Beste von Kirchhoff ist, gönne ich ihm die Genugtuung, den Preis, den er mit entwickelt hat, auch endlich einmal gewonnen zu haben. Buchpreis is coming home – der Frankfurter Eintracht sei Dank. Freuen tue ich mich für seinen Verlag, Joachim Unselds Frankfurter Verlagsanstalt – für mich seit Jahren eine der ersten Adressen für anspruchsvolle Gegenwartsliteratur.

 

Nicht nur aufgrund der Einladung zur Preisverleihung war der Deutsche Buchpreis für mich in diesem Jahr ein ganz besonderes Erlebnis. Wenn ich an den 20. August zurückdenke, als die Longlist verkündet wurde und ich zunächst zwischen Enttäuschung und Verwunderung schwankte, so bin ich heute regelrecht begeistert von der Auswahl der Titel. Ich habe sieben Romane komplett und einen angelesen. Bis auf einen waren alle waren gut, zwei davon sehr gut. Richtig enttäuscht hat mich nur Arnold Stadlers Roman Rauschzeit, den ich bereits nach zwanzig Seiten und kurzem Random-Querlesen entnervt aus der Hand gelegt habe. Verschwurbelte Geschwätzigkeit auf 600 Seiten – für so etwas habe ich angesichts der vielen interessanten Titel, die noch auf meiner Lesewunschliste stehen, einfach keine Zeit.

Neben Kumpfmüller und Melle, die mich unter den 20 nominierten Titeln am meisten begeistert haben, habe ich mich sehr gefreut, jetzt auch endlich Joachim Meyerhoff als Autor kennengelernt zu haben. Denn ich habe seinen Bestseller aufgrund des ganzen Hypes, der darum gemacht wurde, nicht gelesen. Durch die Longlist-Nominierung habe ich festgestellt, dass Meyerhoff nicht zu kennen, doch eine entsetzliche Lücke darstellt. Ein herzerwärmendes, liebevolles und sehr humorvolles Buch. Und dann war da noch Hool von Philipp Winkler, einem Autor dem ich in der letzten Woche bestimmt zehn mal über den Weg gelaufen bin. Der war irgendwie überall auf der Messe, auf jeder Lesebühne, bei jeder Party. Und obwohl ich mit seinem Roman irgendwie aus Zeitgründen nicht richtig weiterkomme, gefällt er mir nach wie vor recht gut.

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Mein persönliches Top-Highlight im Zusammenhang mit dem Deutschen Buchpreis war natürlich die Einladung zum Goethe Institut nach Kopenhagen, wo ich zusammen mit Bloggerkollegin Sophie Weigand die Shortlist-Titel vorgestellt habe. Es war zwar einige Arbeit, den Vortrag vorzubereiten, aber es hat sich gelohnt. Wir hatten ein tolles Publikum und haben mehr als zwei Stunden über die Bücher der Long- und Shortlist erzählt und sind dabei natürlich auch auf die wachsende Bedeutung von Literaturblogs eingegangen. In Dänemark gibt es keine Buchblogger-Szene wie in Deutschland, daher war das Interesse an dieser seltenen Spezies natürlich besonders groß. Die Instituts- und Bibliotheksleitung war jedenfalls ganz angetan von unserem Auftritt und versprach, uns weiterzuempfehlen. Vielleicht tingeln Sophie und ich ja schon bald durch die Lande von Goethe-Institut zu Goethe-Institut.

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Und dann waren da noch die netten Gespräche mit den Buchpreis-Juroren Christoph Schröder und Najem Wali, den Organisatorinnen beim Börsenverein, Catarina Kirsten und der angenehme und bereichernde Wettbewerb mit den anderen Buchpreisbloggern vom Team Mara. Das alles hat den Deutschen Buchpreis 2016 für mich zu einem rundum gelungenen Erlebnis gemacht.

Trotzdem ist für mich an dieser Stelle Schluss mit dem Buchpreisbloggen. Nach zwei tollen Jahren mache ich Platz für andere Blogs und andere Stimmen und sage: „Danke, dass ich dabei sein konnte. Es war mir ein Vergnügen und eine große Ehre“.

 

3 Kommentare

  1. Vielen Dank für die kurzweilige Zusammenfassung! (und Philipp Winkler bin ich auch gleich ein paarmal über den Weg gelaufen). Ich hatte mir den Livestream zur Preisverleihung angeschaut, nach den Leseproben lag Widerfahrnis für mich persönlich im oberen Mittelfeld, nach der Rede des Autors hat es für mich aber leider etwas an Sympathie verloren. Da lese ich lieber noch ein paar der Longlister.
    Viele Grüße!

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  2. Schade, denke ich und außerdem nach wie vor, daß da jeder Buchpreisbloggen kann, der will und ich finde es von dieser Facebookseite auch nicht sehr gescheit, daß sie die anderen, die das auch tun, einfach ignoriert, denn das wäre ja Werbung, die nichts kostet!
    Ich werde höchstwahrscheinlich wieder mitlesen, auf jeden Fall habe ich den Spaß daran noch nicht verloren und wieder viel dabei gelernt und schade ist nur, daß da die anderen Büchern liegenbleiben, aber da kann man nichts machen, alles kann man ja nicht lesen!
    Ich habe diesmal achtzehn Bücher gelesen und mit dem Arnold Stadler https://literaturgefluester.wordpress.com/2016/09/19/rauschzeit/ stimme ich dàccord, das war, wenn man so will, eine Enttäuschung, vom Meyerhoff https://literaturgefluester.wordpress.com/2016/10/02/ach-diese-luecke-diese-entsetzliche-luecke/habe ich mir nichts erwartet und war daher nicht enttäuscht, meine Favoritin wäre wahrscheinlich Katja Lange-Müller https://literaturgefluester.wordpress.com/2016/10/10/drehtuer/, dicht gefolgt von Sybille Lewitscharoff https://literaturgefluester.wordpress.com/2016/09/23/das-pfingstwunder/ gewesen und, daß Thomas Melle https://literaturgefluester.wordpress.com/2016/09/13/die-welt-im-ruecken/, den Preis gewinnt, war ich mir auch ziemlich sicher und hoffe nur, daß da nicht das „Literarische Quartett“ https://literaturgefluester.wordpress.com/2016/10/16/literarische-fernsehformate/ und die durch und durch falsche Besprechung von Maxim Biller Schuld daran ist, ansonsten ist das Bucpreisbloggen für mich noch nicht ganz vorüber, denn der öst Bphttps://literaturgefluester.wordpress.com/2016/09/06/die-oesterreichische-debut-und-buchpreislonglist/ wird ja erst auf der „Buch-Wien“ vergeben, obwohl ich die fünf Bücher, die ich dieszüglich bekommen habe, schon gelesen habe, jetzt bleiben nur noch die Debuts übrig und die spannende Frage, ob Frau Mayröcker, was ich sehr hoffe, den Preis gewinnt, alles liebe aus Wien!

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