Almut Klotz – Fotzenfenderschweine

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Bescheiden und stumm. 

Ich bin so leicht manipulierbar. Man muss nur die richtigen Schlüsselreize setzen, und schon marschiere ich begeistert drauflos, schaue weder links noch rechts und tappe nicht selten blindlings in die Falle. Natürlich war es der Titel, der mich zu diesem Buch greifen ließ. Warum sollte ich das leugnen? Ich kenne Almut Klotz nicht, weder als Autorin noch als Sängerin der mir ebenfalls unbekannten Lassie Singers. Nach der Lektüre habe ich mir mal ein Video der Band bei YouTube angeschaut und fand es gar nicht schlecht. Einfache Melodien und abgefahrene Texte, die mich ein wenig an ‚Foyer des Arts‘ erinnert haben.

Ich wusste also nichts über das Buch, außer dass es nicht schlecht sein kann, wenn es im Verbrecher-Verlag erscheint. Und wer sein Werk ‚Fotzenfenderschweine’ nennt, kann auch nicht ganz humorlos sein, vielleicht sogar etwas anarchisch, auf alle Fälle aber ziemlich unkonventionell. Und so etwas mag ich prinzipiell. Ich kenne aber auch ein paar Leute, die ein Buch mit so einem Titel niemals in die Hand nehmen würden, geschweige denn lesen. Allein der Begriff Fotze ist ja für viele schon ein No-Go – das ist Gosse, unterstes Niveau. Irgendwo im Fließtext bei Bukowski oder Heuchert wäre das ok, aber auf dem Titel? Ich würde mich damit jedenfalls nicht (wie in diesem Video) lesend in die U-Bahn setzen. Da bin auch ich etwas schämig.

Wer aber das Buch nur aufgrund des Titels und in Erwartung eines derb-sexuellen Contents gekauft hat, wird beim Lesen schwer enttäuscht. Auf den gerade mal 100 Seiten fällt nicht einmal das Wort Fotze oder Schwanz, und auch die ominösen Fotzenfenderschweine sucht man vergeblich. Obwohl hier die wilde Liebesgeschichte zweier Indie-Musiker erzählt wird, geht es vergleichsweise gesittet zu. Klar sind Drogen im Spiel und man treibt sich auf Szene-Partys und in Clubs herum, aber es ist auch nicht irgendein Musikerpaar, das wir da präsentiert bekommen. Almut Klotz erzählt in diesem Buch ihre eigene Beziehungsgeschichte zu dem Musiker Reverend Christian Dabeler, einem Keyboarder der mit Rocko Schamoni, Bernd Begemann und Fink auf Tour ging.

Eine Beziehung, die schwierig begann und schwierig weiterging. Zwischen zwei Menschen, die unterschiedlicher nicht sein konnten, zwischen Hamburg und Berlin, zwischen unbeschwert und engstirnig, Lebenslust und Lebensfrust, zwischen Lassie-Singers und Hamburger Schule. Und trotz oder gerade wegen all dieser Gegensätze ist es eine ganz große Liebe, die da beschrieben wird. Für Almut Klotz die Liebe ihres Lebens, ganz allein schon deshalb, weil es ihre letzte war. Sie starb im August 2013 an Krebs und konnte dieses Buch nicht beenden. Es ist ein Fragment geblieben, hört einfach mittendrin auf.

Ihre letzten Sätze, die noch nicht vom Ende künden, sind noch so voller Lebenslust und Alltag. Sie regt sich über junge Eltern am Prenzlauer Berg auf, über die Bio-Muttis mit den kleinen Tyrannen, die sie da großziehen. Man merkt beim Lesen, wie sie sich freut, dass sie mit ihrem Partner bei diesem Thema endlich mal einer Meinung ist, was wahrlich nicht oft vorkam. Und dann auf einmal der letzte Satz: „Connie ist so scheiße, dass man mit ihr Pädophile therapieren könnte„. Und dann nie wieder einer – Schluss, aus und vorbei. So etwas lässt einen als Leser ziemlich betroffen zurück.

Das ist als Gefühl so stark, dass es über die Enttäuschung hinwegtröstet, gerade eine sehr unfertige Geschichte gelesen zu haben. Denn Almut Klotz war noch lange nicht am Ende, hatte gerade erst begonnen, das Setting aufzubauen und den Leser mit den Charakteren vertraut zu machen. Jetzt hätte die Geschichte losgehen und noch alles werden können, literarisch grandios oder auch grottenschlecht. Ich weiß nicht, wo sie mit dem Text hinwollte, was es noch zu erzählen gab. Sie musste aufhören, bevor es irgendetwas werden konnte, über das man ein abschließendes Urteil hätte fällen können. Irgendwann wären bestimmt auch noch die Fotzenfenderschweine in der Geschichte aufgetaucht, die als Titel aber schon feststanden, wie der Verleger im Nachwort erklärt.

Generell wäre diese Liebesgeschichte ohne das Autobiografische, das schillernde Künstlerleben der beiden Protagonisten und das Tragische durch den frühen Tod der Autorin weder denkbar, noch besonders bemerkenswert. Doch das trifft einerseits auf fast jedes autobiografische Werk zu, und andererseits sind diese Faktoren auch nicht vom Manuskript zu trennen. Und so wirkt dieses schmale Buch mit dem komischen Titel noch lange nach, stimmt nachdenklich, macht bescheiden und stumm.

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Foto: Gabriele Luger

Verlag: Verbrecher
135 Seiten, 19,00 €

4 Kommentare

    1. Nein, nicht frustrierend. Denn das Schicksal der Autorin und das Unfertige an dem Buch erzählen eine andere, nicht minder interessante Geschichte. Dazu gibt es im Anhang noch Text- und Bild-Dokumente ihres Partners und ein ausführliches Nachwort des Verlegers.

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  1. Danke für diese Rezension. Ich habe bisher noch nie etwas über dieses Buch gehört und das ist eine der ersten Rezensionen auf einem Bücherblog, die mir sagt: „Lies dieses Buch!“ Es trifft nämlich total meinen Geschmack: Wahre Geschichten, junge Menschen mit künstlerischem und/oder alternativen Lebensstil, Hamburg… Da gibt es vieles, was mich anspricht. 🙂
    Wirklich schade, dass das Buch nicht vollendet werden konnte. Ich hatte mich eben auch kurz gefragt, ob dies als Leser unbefriedigend ist? Auch, wenn man um die Umstände weiß? Das Buch wird auf jeden Fall auf meine Wunschliste wandern und ich freue mich schon sehr, es mal zu lesen und hoffe, es ist auch bald als Taschenbuch zu haben (Hardcover sind nicht so mein Ding). 😀

    Liebe Grüße,

    http://lesenundgrossetaten.blogspot.de/

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