In drei Jahren zu mehr Achtsamkeit

Mein Gott, wie die Zeit vergeht. Drei Jahre gibt es Buchrevier nun schon. In der Online-Welt ist das eine kleine Ewigkeit. Dann hast du es entweder geschafft oder bist schon wieder am Ende. Hop oder Top. Im Netz geht alles so verdammt schnell. Die Zeit, sie rast geradezu, fegt wie ein Orkan über alles hinweg und nimmt mit, was nicht fest verankert war — all die Beiläufigkeiten, lockeren Beziehungen und flüchtigen Gedanken; hier ein Lachen, da ein Weinen. Mentaler Ballast, der deinen Arbeitsspeicher vollmüllt, dich träge und langsam macht. All das wird beim nächsten Programmupdate einfach überschrieben.

Buchrevier hat sich gut entwickelt und ist in den letzten drei Jahren eine relevante Größe in der Blogosphäre geworden. Kann ich das einfach so sagen, ohne überheblich zu klingen? Aber warum soll ich lügen, wenn es doch so ist? Und da hätte ich gleich noch eine Frage an euch da draußen – ihr, die ihr das lest, unbekannter- und bekannterweise. Ist diese Form der Überheblichkeit, die ja eigentlich nur eine Meinungsäußerung, eine Haltung oder gesundes Selbstbewusstsein darstellt, ist das nicht genau das, was ihr von mir lesen wollt? Ich bin nicht immer nett, manchmal sogar ziemlich respektlos und undankbar. Ich werde den Büchern, über die ich schreibe, nicht immer gerecht. Aber das ist auch nicht mein Anspruch. Buchrevier soll in erster Linie Spaß machen. Mir beim Schreiben, allen anderen beim Lesen. Wenn dann noch der Funke überspringt und jemand Lust auf die Bücher bekommt, die hier besprochen werden, dann ist das ein schöner Nebeneffekt.

Ich bin kein Lesebotschafter und habe diesbezüglich auch kein Sendungsbewusstsein. Wenn jemand nicht lesen will, dann soll er es sein lassen. Sein Problem, nicht meins. Ich kann nur sagen, mir tut das gut; das Lesen und auch das Schreiben darüber. Mit jedem Buch, mit jedem Blogbeitrag wird mein Leben reicher, vielfältiger, interessanter. Und nicht nur das – seit ich blogge habe auch ich mich verändert. Ich bin achtsamer geworden, schaue und höre genauer hin, bin nicht so vorschnell mit meinem Urteil. Das hängt auch mit den Menschen zusammen, die mich virtuell umgeben. In der überwiegend links-intellektuellen Literaturcommunity musste ich mich erst zurechtfinden und habe am Anfang noch über einige Dinge geschmunzelt. Zum Beispiel über Männer, die sich als Feministen bezeichnen, über das kollektive Amazon-Bashing und die eine oder andere politische Haltung, die nicht meine ist.

Schmunzeln tue ich darüber schon lange nicht mehr. Auch wenn ich immer noch in vielen Punkten anderer Meinung bin, so habe ich doch angefangen, mein eigenes Verhalten verstärkt zu hinterfragen. Bei Amazon kaufe ich zwar immer noch, aber keine Bücher mehr. Auch bin ich wesentlich sensibler gegenüber dem alltäglichen Sexismus geworden, obwohl aus mir niemals mehr ein Feminist werden wird. Aber das alles hat mich vor der typischen Halsstarrigkeit alter Männer bewahrt, und das freut mich sehr.

Der Sturm der Zeit fegt über mich hinweg und rüttelt an allem, was nicht fest in mir gründet. Vieles sehe ich davonfliegen und weiß, dass ich es nicht vermissen werde. Ich frage mich, ob im Leben weniger nicht mehr sein könnte, alles etwas leichter und damit vielleicht auch etwas besser. Und dann denke ich an Zuhause, die vielen Bücher, die da auf mich warten und all die Texte, die ich darüber noch schreiben will. Weniger von allem – vielleicht. Aber auf keinen Fall weniger Bücher.

______
Foto: Gabriele Luger

 

10 Kommentare

  1. Auch wenn der Hund das geschickt hinter seinem Pokerface verbirgt – drei Jahre buchrevier sind in der Tat ein Grund zum Feiern. Ich bin hier zwar eher stiller Mitleser, als aktiver Kommentierer, fühle mich aber auf diesem Blog dank Deiner Freischnauze-Mentalität pudelwohl (Womit wir wieder beim Hund wären), denn nett ist die kleine Schwester von … ja, genau. In dem Sinne: Bleib respektlos, rezensiere weiter frei aus dem Bauch heraus und genauso pointiert und scharf – und stoß mich mit Deinen Besprechungen auch in den nächsten Jahren weiter auf Bücher, die mir sonst wahrscheinlich entgangen wären.

    Beste Grüße aus der Crimealley,
    Stefan

    Gefällt 2 Personen

  2. Genau wegen solcher Zeilen liebe ich deinen Blog. (Beantwortet das deine Frage?)

    + *was Stefan sagt*.

    Ich mag Menschen, die eine eigene Meinung haben, die ihre Meinung in die Welt hinausposaunen, die zu ihrer Meinung stehen. Gefühlt hat das mittlerweile Seltenheitswert ;-). Und ich mag Texte, die dies unverblümt kundtun. Von daher freue ich mich – wenn auch meist nur als stiller Mitleser – auf die nächsten drei Jahre Buchrevier.

    Liebe Grüße, Iris

    Gefällt 2 Personen

      1. Habe jetzt wohl meinen Undercover-Status aufgedeckt :-). Leider fehlt oft die Zeit, um zu kommentieren. Ich lese Blogbeiträge meist via Handy, nur das Kommentieren via Handy ist nervtötend. Und am Wochenende warten dann Rezensionen, eigene Blogbeiträge, Haushalt und all das andere, was so unter der Woche liegen bleibt.
        Hoffe, dass ich das künftig etwas ändern kann. Ich arbeite daran. 😉

        Like

      1. Im Oktober, als dieser ganze AfD-Scheiß nach der Wahl so präsent war, es mit Trump und Nordkorea fast eskalierte und dann noch die Nazis auf die Buchmesse kamen, (sprich: eine Zeit, in der man wirklich langsam Angst bekommt) fingen die Buchblogger mit so frankophilen Hashtags zur Buchmesse an. Da hätte ich fast den Glauben verloren. Litlove an jeglicher Realität vorbei. Aber vielleicht erwarte ich da auch zuviel.

        Gefällt 1 Person

  3. Muss mann einem Buch gerecht werden? Kann man das überhaupt?
    Gerade die eigene Meinung über ein Buch ist doch das Schöne und eine Meinung kann eben auch unbequem sein.
    Weiter so!

    Viele Grüße
    Andre

    Like

Hinterlasse einen Kommentar