George Watsky – Wie man es vermasselt

Wenn einem ein Diogenes-Buchcover mal ins Auge fällt, weil es angenehm anders ist – zwar nach wie vor im bekannten weißen Corporate Design mit Rahmen, aber trotzdem eigenständig – irgendwie deutlich cooler als der Rest, oder sagen wir mal so: überhaupt mal cool – denn das ist ja nicht gerade das, wofür der schweizer Traditions-Verlag bekannt ist – dann greife ich natürlich sofort zu. Das Cover passt zum Autor. Auch George Watsky ist augenscheinlich ein cooler Typ. Ich kannte ihn bisher nicht, er scheint aber irgendwie die männlich/amerikanische Version von Kate Tempest zu sein: Spoken Word-Artist, Hip-Hop Musiker und Poetry Slammer. Bühnen-Prosa kann als Buch funktionieren, aber auch voll in die Hose gehen – wie zum Beispiel das Romandebüt von Kate Tempest.

Aber um diesen Kalauer zum Titel jetzt auch noch mal zum bringen: Watsky es nicht vermasselt. Im Vergleich zu anderen seiner Zunft hat er mit seinem Prosa-Debüt recht ordentlich abgeliefert. Und es sind auch keine Bühnentexte, sondern 13 sehr lesbare Erzählungen rund um … – ja was eigentlich? Ich habe das Buch vor gerade mal zwei Wochen gelesen und jetzt schon Schwierigkeiten, mich zu erinnern. Entschuldigung, ich muss daher eben mal den Klappentext bemühen. Da steht es: „Brutal ehrlich und brüllend komisch erzählt der Rapper und Autor George Watsky aus seinem Leben als junger Mann, als Musiker, als Freund und als Sohn, von Peinlichkeiten, Fehlstarts, Abfuhren und kleinen Triumphen.“

Ja, genau – darum geht es in Watskys Erzählungen. Jetzt erinnere ich mich auch wieder. Zum Beispiel an die Geschichte mit dem Narwal-Stoßzahn, den der Autor zusammen mit einem Freund für irgendeine alte Tante von Kanada in die USA schaffen sollte. Das ist natürlich illegal, weil Elfenbein, und deswegen nicht ganz ohne Risiko. Mit einigem Hin und Her haben sie den alten Hauer dann über die Grenze geschmuggelt, die Tante hat sich gefreut und wollte sie gleich für den nächsten Job engagieren. Aber daraus wurden dann nichts. Ende der Geschichte. Ach ja und dann fand ich noch die Story ganz nett, wo er versucht hat, sich mit deutlich älteren Frauen zu treffen und es beinahe auch schafft, wenn sie denn nicht im letzten Moment immer wieder abgesagt hätten. Brutal ehrlich – ja, irgendwie schon, aber brüllend komisch? Geht so. Wenn ich ehrlich bin, hätte ich mir gewünscht, dass er sich tatsächlich mal mit so einer Sugar Mama getroffen hätte. Ist nicht gerade mein Fetisch, hätte mich aber trotzdem mal interessiert.

Also die Dates mit den älteren Frauen hat er in der Tat total vermasselt und auch bei all den anderen Geschichten, an die ich mich wirklich nur noch sehr schwach erinnern kann – so wenig Eindruck haben sie gemacht – läuft irgendeine Kleinigkeit nicht richtig rund. Das ist die inhaltliche Klammer, die die Storys in diesem Band zusammenhalten soll. Aber das ist alles so schwach ausgearbeitet, dass es schon jeder Menge Interpretations-Wohlwollen bedarf, um dem roten Faden auf die Spur zu kommen.

Nicht, dass wir uns falsch verstehen: Die Geschichten sind nicht schlecht. Ich habe sie gern gelesen und wenn ich diese Zeilen jetzt nicht mit zweiwöchiger Verspätung sondern unmittelbar nach der Lektüre geschrieben hätte, würde ich mich sicherlich noch an ein paar mehr der 13 Storys erinnern. Aber trotzdem – es zeigt schon eine Tendenz. Watskys Prosa ist nicht schlecht, sie ist aber auch nicht wirklich gut. Das ist alles so lala, liest sich ganz gut, haut mich aber weder sprachlich noch inhaltlich vom Hocker. Ich habe keine wirklich neue Idee oder Sichtweise entdecken können und auch emotional hat es mich nicht gepackt. Die ideale Lektüre also für halbstündige Fahrten mit der Bahn zur Arbeit oder so. Morgens eine Geschichte auf dem Hinweg und abends eine auf dem Rückweg. Literarischer Muzak, funktionale Gebrauchs-Prosa, die einen wie Kaufhaus- oder Fahrstuhl-Musik nicht sonderlich fordert, belastet oder aufwühlt und schon bald nach dem Zuklappen des Buches wieder vergessen ist.

Solche Texte können auf einer Spoken-Word-Bühne in irgendwelchen Uni-Mensen funktionieren, aber für ein literarisches Debüt ist das definitiv zu wenig. Da sind selbst  in diversen Online-Schreibforen deutlich bessere Geschichten zu finden. Und wenn man dann noch den Vergleich, zu den anderen amerikanischen Erzählern wagt, deren Short-Storys zum Teil auch bei Diogenes erschienen sind, wie z.B. Henry Slesar, Ray Bradbury, F. Scott Fitzgerald oder auch Miranda July, dann – ja dann ist man doch geneigt zu behaupten, dass Watsky es vermasselt hat.

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Foto: Gabriele Luger
Verlag: Diogenes 
336 Seiten, 22,00 Euro

7 Kommentare

  1. Ich fand den Watsky gut, also richtig gut. Frische Texte über das vermeintliche Scheitern – und habe mich auch an so einige Szenen in meiner Jugend erinnert gefühlt. Klar, man muss nicht alles mögen, aber diese Texte funktionieren nicht nur in der Mensa, wenn man sich darauf einlassen kann. Ich konnte es und mir machten sie Spaß. Gegen Vergessen hilft im Übrigen manchmal auch Magensium 😉 Und Watsky mit F. Scott Fitzgerald zu vergleichen – das ist wirklich Äpfel mit Birnen vergleichen. Aber so ist es halt mit Vielfalt, man muss nicht alles mögen … und ich brauche tatsächlich häufiger Texte, die in eine halbstündige Bahnfahrt passen 😉

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    1. Ich fand die Texte ja nicht schlecht, aber eben auch nicht gut, schon gar nicht richtig gut. Gebrauchstexte halt, die uns ganz gut durch den Alltag begleiten. Aber schön, wenn es Dir gefallen hat.

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      1. Kannst Du denn sagen, was Dir nicht gefallen hat? Ich finde es immer spannend, wie unterschiedlich man Bücher liest. Ich habe mich an Einiges erinnern können, wie merkwürdig blauäugig man manchmal ist. Wie verpeilt. Gebrauchstexte direkt würde ich das nicht nennen, sind sie ja nicht auf ein spezielles Ereignis zugeschnitten geschrieben worden. Vielleicht sollte man Watsky im Original lesen – wenn man sich seine Raptexte ansieht merkt man schon, dass er gerne mit Sprache spielt. Das geht im Deutschen dann wohl etwas verloren …

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      2. Wie sind sie denn dann deiner Meinung nach, also nicht schlecht, aber auch nicht gut und schon gar nicht richtig gut … das ist so … vage 😉

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  2. Hallo Bri,
    ja, ich weiß: das ist vage, aber leider kann ich das gar nicht viel konkreter fassen. Mir sind die Geschichten irgendwie zu gefällig, zu bieder, zu unspektakulär. Nichts hat mich emotional gepackt, nichts wirklich verblüfft, intellektuell angesprochen, was auch immer. Wären diese Geschichten ein Auto, dann ein Ford Focus oder ein Skoda – ganz ordentlich und funktional, jeder fährt damit herum, aber keiner würde sagen: ein Traum, muss ich haben.

    Was soll ich noch sagen? Alles so lala, kann man lesen und gut finden, kann aber auch sein lassen ohne irgendetwas verpasst zu haben. Durchschnittsware halt.

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