Blonde, zornige Bücherkrähe und das Mimimi

Wir haben beide das gleiche Hobby: Lesen und Bloggen. Das ist aber auch schon die einzige Gemeinsamkeit, zwischen mir und Mareike Hansen, besser bekannt als Bücherkrähe vom Blog „Crow and Kraken“  (Crowandkraken.de). Im März hat Mareike in einem vieldiskutierten Blogbeitrag einen Auftritt von Jochen Kienbaum, Katharina Herrmann und mir auf den Blogger Sessions in Leipzig stark kritisiert und mich dabei als einen alten weißen Mann bezeichnet, der über die Qualität von Literatur-, bzw. Buchblogs doziert und die Deutungshoheit darüber beansprucht. Ziemlich dreister Vorwurf, dachte ich mir. Wer ist das? Was will die?

Doch als der erste Ärger verraucht war, habe ich mir den Blogeitrag etwas genauer durchgelesen. Er war gut geschrieben, die Kritik nachvollziehbar und so dachte ich mir, setzt dich doch mal mit der Autorin auseinander. Und so haben wir, statt uns weiter anzugiften, einfach ein gegenseitiges Telefoninterview vereinbart, um mal ein paar Dinge zu klären. Und siehe da: so unterschiedlich ticken wir gar nicht.

Hier nun das Ergebnis dieses Austauschs. Auf Buchrevier antwortet Mareike auf meine Fragen und auf ihrem Blog Crow and Kraken findet man meine Antworten auf ihre. So bekommen unsere Leser mal einen kleinen Einblick in eine andere Filterblase. Mareike und ich wünschen viel Spaß beim gegenseitigen Kennenlernen.

__________

Buchrevier: Du liest Bücher, die mich überhaupt nicht interessieren. Für mich ist das stellenweise billigste Unterhaltungsliteratur. Auf der anderen Seite hast Du einen hohen Anspruch, bist sehr kritisch und hinterfragst vieles. Das passt in meinen Augen nicht zusammen.

Mareike: In meinen Augen passt das hervorragend zusammen, ich kann dir auch sagen warum: mein Kopf steht nie still. Er funktioniert wie ein Flipper mit drei Kugeln gleichzeitig, ständig fallen mir neue Sachen ein, habe Ideen, verarbeite neue Informationen und auch der kritische Blick ist im Grunde nie aus. Da brauche ich regelmäßig Pause. Manche machen den Fernseher an und gucken Unterhaltungsshows, andere gehen mit dem Hund spazieren und ich lese das, was du billigste Unterhaltungsliteratur nennst. Man kann aber auch in dieser Sparte sehr interessante Ansätze finden, die zum Nachdenken anregen und die in einem nachwirken 😉

Hast Du jemals etwas auf meinem Blog gelesen?

Mareike: Habe ich in der Tat, aber bin irgendwie nie hängen geblieben.

Warum, nicht? Zu langweilig?

Mareike: Ich lese generell nicht so gerne Buchrezensionen. Und wenn, dann über Bücher, die mich auch interessieren. Da gibt es bei uns in der Tat wenig Überschneidungen. Deine Meinungsartikel habe ich gelesen, muss aber sagen, die sind auch nicht unbedingt mein Ding. Ich bin da eher an anderen Themen interessiert.

Ein Aspekt, den Du in deinem Beitrag kritisiert hast, ist die Differenzierung zwischen Buchbloggern und Literaturbloggern. Wie würdest Du den Unterschied zwischen unseren beiden Blogs, der ohne Zweifel da ist, sonst benennen?

Mareike: Natürlich gibt es Unterschiede, zwischen unseren Blogs, aber auch zwischen all den anderen. Der Begriff „Buchblogger“ wird, so mein Eindruck, immer irgendwie abwertend benutzt. Vornehmlich von denen, die sich als Literaturblogger bezeichnen und wie Du ja auch vor allem „anspruchsvolle“ (Gegenwarts-)Literatur lesen. Dabei sind laut Definition Thriller und Romanzen ebenso Literatur wie Thomas Mann, Philip Winkler oder Thomas von Steinaecker. Blogger*innen, die sich mit Thrillern und Graphic Novels wohler fühlen, per se als qualitativ schlechter zu bewerten, finde ich falsch.

In der Musik ist das doch ähnlich. Überspitzt ausgedrückt: Es gibt Leute die hören Helene Fischer und welche, die hören Radiohead. Beides ist Musik. Trotzdem liegen Welten dazwischen.

Mareike: Natürlich! Jeder Mensch setzt sich anders mit Literatur auseinander. Manche eher oberflächlich, manche tiefergehend, und manche wenden alle Tricks an, die sie im Germanistikstudium gelernt haben. Doch bedeutet Letzteres automatisch Qualität? Oder die Auswahl der Bücher? Es gibt Leute, die lesen die Buchpreislisten rauf und runter und geben darüber nichts als heiße Luft von sich. Andere Blogs setzen sich kritisch mit Jugendfantasy auseinander oder mit bestimmten Tropes im Genre Thriller. Das ist eine anspruchsvolle Auseinandersetzung mit Literatur – auch ohne Feuilletonbestseller.

Meinst Du nicht, dass Qualitätskriterien und eine Genre-Trennung gut und notwendig wären, um die Relevanz von Buchblogs in der öffentlichen Wahrnehmung zu stärken?  

Mareike: Ich denke nicht, dass Genre und Qualität miteinander korrelieren. Ein Liebesroman ist nicht automatisch seichte Unterhaltung und Julie Zeh ist nicht automatisch das literarische Non-Plus-Ultra, nur weil sie Literaturpreise gewonnen hat. Qualitätskriterien sollten sich an anderen Dingen orientieren. Schreibt da jemand in einer Rezension nur „Cover ist hübsch, die Liebesgeschichte ist soooo süß, lest das!“, oder kommt da mehr? Wie setzt sich die Bloggerin oder der Blogger überhaupt mit Literatur auseinander? Gibt es eine kritische Haltung oder geht es schlicht um das blinde Konsumieren von Geschichten? Blindes Konsumieren ist nichts schlechtes, manche nehmen das einfach als Flucht aus dem Alltag und das ist absolut in Ordnung. Allerdings ist mir erfahrungsgemäß die Auseinandersetzung auf dem Blog dann zu oberflächlich und – sorry – auch zu langweilig.

Die Blogger*innen, die sich intensiver mit dem Gelesenen auseinandersetzen und/oder auch eine gewisse Expertise in bestimmten Genres erreichen, werden auch diejenigen sein, die für die Buchbranche relevanter werden. Im Moment wird bei größeren Aktionen noch viel auf Reichweite gesetzt, aber es gibt auch schon welche, bei denen Blogger angefragt werden, die auch richtig viel Ahnung vom jeweiligen Thema haben.

Ich denke, da wird sich noch viel entwickeln. Und natürlich werden da auch Qualitätskriterien eine Rolle spielen.

Wie wichtig ist dir überhaupt Resonanz und Relevanz?

Mareike: Sagen wir so: Das, was ich schreibe, muss in der Regel einfach aus dem Kopf raus. Ich würde allerdings lügen, wenn ich behaupte, bei bestimmten Anliegen ist mir Resonanz und Relevanz nicht wichtig. Gerade was Feminismus, Sexismus und Rape Culture angeht sind mir meine Artikel und Rezensionen sehr wichtig. Ich komme aus einem politisch aktiven Umfeld, natürlich will ich was bewegen. Ich merke aber auch, dass mir Resonanz und Relevanz in den letzten Monaten wichtiger geworden sind. Ich blogge immer noch über Themen und Bücher die mir wichtig sind und fange nicht an, meinen Leser*innen nach dem Mund zu schreiben. Trotzdem bewege ich mich aus der „Mir egal wer das liest“-Einstellung weg.

Du hast ein starkes politisch/soziales Sendungsbewusstsein (Feminismus, Antirassismus, LGBT, etc.). Wäre da nicht eine andere Art Blog besser für Dich?

Mareike: Hahaha, nein. Ich hatte bis Anfang des Jahres tatsächlich zwei Blogs, einmal Die Bücherkrähe für Literatur und den Black Kraken für Politik. Ich habe es aber nicht geschafft, zwei Blogs gleichzeitig zu betreuen und habe sie deswegen im Januar zusammengezogen. Deswegen Crow and Kraken. Die Bücherkrähe war von jeher schon politisch und kritisch, eigentlich war es nur ein logischer Schritt. Und jetzt kann ich über beide Themen bloggen, ohne mir Gedanken machen zu müssen, ob ich genug Bezug zur Literatur habe, um es auf dem Literaturblog zu posten.

Warum greifen wir uns an, anstatt gemeinsam etwas dafür zu tun, dass Lesen wieder sexy wird? Könntest Du dir irgendetwas Gemeinsames vorstellen?

Mareike: Das erste Gemeinsame haben wir ja gerade geschafft: wir haben uns an den telefonischen runden Tisch gesetzt und über unsere Differenzen und Unterschiede, aber auch über unsere Gemeinsamkeiten gesprochen. Wenn mich eine Aktion oder eine Zusammenarbeit reizt bin ich sowieso für jede Schandtat zu haben – solange ich eben mit Blog und Blogger zurechtkomme.

Ich denke, der restliche Streit, der zwischen Blogger*innen immer mal wieder auftaucht, liegt viel an den unterschiedlichen Auffassungen, was Lesen und darüber bloggen eigentlich aussagen soll, aber auch an vielen Missverständnissen. Ich habe bei dir z.B. gelernt, dass du den Begriff „Literaturblogger“ nicht am Genre ausmachst, sondern wie jemand über Literatur bloggt. Das finde ich sehr spannend, und ich bin froh, dass wir uns zusammengesetzt haben. Und zukünftig habe ich bestimmt auch noch ein paar andere Ideen für gemeinsame Sachen!

*

6 Kommentare

  1. Ich finde sehr cool, dass ihr in einen Dialog getreten seid!
    Auch, da ich mich sehr in euer beiden Aussagen wieder finde…
    Vor allem finde ich aber wirklich, dass diese Ganzen Genre Vorurteile endlich ein Ende finden müssen! Ich selbst lese zwar keine high fantasy, Liebesromane thriller ect ect…. Aber ich finde, man sollte den Geist offen halten und den genres nicht absprechen, dass sie gehaltvoll sein können!
    Und was die Blogger angeht, denke ich auch, es gibt Genre übergreifend Oberflächliche und tiefgründige. Ich lese sehr gerne Rezensionen zu Büchern, die ich vllt nie lesen würde, wenn der Rezensent aber intensiv darauf eingeht.
    Insofern danke für dieses Interview mit den offenen Fragen und Antworten!
    Ein sehr guter Umgang von euch!
    Liebe Grüße von der Luna ❤️

    Gefällt 4 Personen

  2. Wenn ich deine Statements so lese, finde ich dich ziemlich arrogant. Prekäre Lage, denn ich hätte (sofern ich mich getraut hätte) genau das gleiche abgelassen. Ich ermahne mich immer wieder zu mehr Toleranz und Akzeptanz wenn es um bestimmte Genres oder gar „Young Adult“-Bücher geht, und dennoch sitzt immer noch etwas Verachtung tief in einer dunklen Ecke meiner Seele (wenn ich denn eine habe).

    Like

  3. Hallo,

    ich habe beide Beiträge gelesen und finde es großartig, dass es zu einer echten Kommunikation zwischen den Parteien kam. Austausch statt Ausschluss, deutlich interessanter.

    Ich würde mich als Buchbloggerin bezeichnen, habe an meine eigenen Rezensionen aber einen hohen Qualitätsanspruch und lese zwischen zwei Krimis gerne mal anspruchsvolle Gegenwartsliteratur. Qualitätskriterien sind in meinen Augen für Buchblogger UND Literaturblogger eine gute Sache.

    Ich habe beide Beiträge HIER für meine Kreuzfahrt durchs Meer der Buchblogs verlinkt, vielleicht kommt ja noch mehr Austauch zustande.

    LG,
    Mikka

    Like

Hinterlasse einen Kommentar