Sophie Passmann – Alte weiße Männer (Hörbuch)

Ich wollte mal kurz reinhören, nur so zum Spaß und eigentlich auch nur, um meine Vorurteile gegenüber dem radikalen Feminismus bestätigt zu bekommen. Und natürlich fühlte ich mich auch vom Titel angesprochen, bzw. provoziert, denn dass ich als alter weißer Mann wahrgenommen werde und damit das erklärte Feindbild der Netzfeministinnen bin, das weiß ich schon lange. Natürlich kenne ich auch Sophie Passmann, allerdings nur dem Namen nach. Ich folge ihr weder auf Twitter noch habe ich sonst irgendetwas über sie gelesen. Ihre genauen Ansichten und Standpunkte kenne ich kaum. Alles was ich weiß, beziehungsweise mutmaße, ist, dass sie eine dieser unentspannten und dauerempörten, jungen Netzfeministinnen ist und man sich mit ihr lieber nicht anlegen sollte.

Maximal zehn Minuten, mehr Radikal-Feminismus hältst du sowieso nicht aus, dachte ich mir. Doch von wegen; am Ende habe ich mir das ganze Hörbuch angehört, und war weder augenrollend genervt, noch beleidigt und empört, sondern durchaus interessiert, angenehm überrascht, inspiriert und fühlte mich dazu noch sehr gut unterhalten. Das muss man erst mal schaffen, jemanden mit einer Antihaltung, wie ich sie hatte, abzuholen und wenn auch nicht komplett umzukehren, so doch zumindest mitzunehmen.

Und natürlich weiß ich auch, dass so ein von der falschen Seite kommender Applaus Gift für Passmanns Feministinnen-Credibility ist. Wenn einer wie ich, der zwar für Geschlechter-Gleichberechtigung einsteht, aber radikalen Feminismus eher unsympathisch findet – also aus Feminist*innen-Sicht ein Macho-Arschloch ist oder eben ein alter weißer Mann – wenn so jemandem dieses Buch gefällt, was tatsächlich der Fall ist, dann kann das ja nur Mainstream-Feminismus sein – zu lasch, zu wenig radikal, nicht fordernd genug, zu verständnisvoll und anbiedernd. Gut möglich, aber ich nehme mal an, dass es der Autorin nicht darum ging, Applaus aus der eigenen Blase zu bekommen, sondern auch mal die Gegenseite für bestimmte Botschaften empfänglich zu machen. Zum Beispiel, wie man es vermeiden kann, ein alter weißer Mann zu werden.

Und genau das hat sie erreicht. Zumindest bei mir und wahrscheinlich auch bei den 16 mehr oder weniger alten weißen Männern, mit denen sie im vergangenen Sommer gesprochen hat. Allein die Auswahl der Gesprächspartner hat mich begeistert. Von Sascha Lobo über Robert Habeck, Ulf Poschardt, Peter Tauber, Kevin Kühnert, Micky Beisenherz bis zu Rainer Langhans war alles dabei. Selbst ihren eigenen Vater hat Sophie Passman nicht verschont. Und obwohl es immer wieder um den Feminismus und die Rolle des alten weißen Mannes ging, gab es kaum Wiederholungen, hat jedes Gespräch wieder neue, interessante Aspekte aufgezeigt. Passmann hat sich nicht darauf beschränkt, die mit dem Diktiergerät protokollierten Interviews sauber zu transkribieren, sondern hat jeden Dialog, jeden Interviewpartner und auch die Gesprächsumgebung sehr persönlich und überaus humorvoll kommentiert. Das ist vielleicht journalistisch nicht ganz sauber, aber dem Buch hat es gut getan. Sehr gut sogar, denn von Kapitel zu Kapitel, von Gespräch zu Gespräch, wurde mir die Autorin immer sympathischer.

Was generell immer verständnisfördernd ist: wenn Menschen auch mal über sich selber lachen können. Passmann ist zwar mit vollem Ernst bei der feministischen Sache, nimmt sich als Person aber nicht so furchtbar wichtig und kommentiert ihre eigene Rolle mit einer angenehm ironischen Distanz. Bemerkenswert fand ich auch die Höflichkeit und den Respekt, mit denen sie ihren Gesprächspartnern begegnete, auch wenn das Gegenüber politisch und weltanschaulich aus dem komplett anderen Lager kam und stellenweise abstruse Thesen wie Rainer Langhans vertrat. Das alles hat dazu geführt, dass ich im Verlauf des Hörbuches alle Vorbehalte und Ressentiments beiseite schob, mich offen auf die Argumentation einließ und bei dem ein oder anderen Gespräch in Gedanken sogar mit diskutierte. Ja, ich hatte auf einmal Spaß an der Feminismus-Debatte, verstehe bestimmte Standpunkte jetzt besser und kann sogar nachvollziehen, warum Feminismus manchmal auch radikal und kompromisslos sein muss.

Was für mich im Verlauf der Gespräche aber immer deutlicher wurde, ist, dass das Thema derart komplex und vielschichtig ist und von so vielen Faktoren wechselseitig beeinflusst wird, dass es kein Richtig oder Falsch gibt. Bestes Beispiel ist das Thema „Frauenquote“. Eigentlich eine gute Sache und angesichts der immer noch männlich dominierten Strukturen in den Unternehmen mehr als dringend notwendig. Andererseits stellt sich immer auch die Frage, ob durch gesetzliche Vorgaben und eine quasi erzwungene Gleichberechtigung per Quote, dem Feminismus nicht doch ein Bärendienst erwiesen wird. Oder die ständige Gefahr in eine der zahlreich ausliegenden Sexismus-Fallen zu tappen. Wie ist es, wenn man sagt, dass man im Job lieber mit Frauen als mit Männern zusammenarbeitet? Ist das schon sexistisch, wenn man überhaupt Unterschiede benennt, wie z.B. die bessere Team- und Kommunikationsfähigkeit von Frauen? Ist der Feminismus erst am Ziel, wenn Geschlechterunterschiede irgendwann überhaupt keine Rolle mehr spielen? Ist das überhaupt in allen Belangen sinnvoll? Und kann man das dann wieder trennen, wenn es privat wird und auf einmal sogar Liebe im Spiel ist?

Ich als Mann bin beim Thema Feminismus, wie einige andere auch, sehr verunsichert, habe viele Fragen und bekomme kaum Antworten. Das mag wohl auch daran liegen, dass Antworten gar nicht zu mir durchdringen, weil mich oftmals die Form und Rhetorik feministischer Argumentation schon abstößt. Bei diesem Buch war das anders. Ich habe erstmals richtig zugehört, einiges endlich verstanden, über Privilegien nachgedacht und mich selber gefragt, wieviel ich in meinem Leben wohl der Tatsache zu verdanken habe, dass ich ein Mann bin. Allein dafür bin ich Sophie Passmann schon dankbar.

Ich werde wohl niemals mehr Feminist, was für mich durchaus ok ist. Aber vielleicht kann ich in Zukunft etwas dafür tun, als Mann älter zu werden, ohne ein alter weißer Mann zu sein. Vielleicht.

________

Foto: Gabriele Luger

Hörbuch:
tacheles!/ Roof Music
Spieldauer: 5 h, 17 Min
Gesprochen von der Autorin

Print:
Verlag: KiWi-Taschenbuch
304 Seiten, 12,00 €

5 Kommentare

  1. hach, du bist kein alter weißer mann…..nach dieser super rezi 🙂 du bist ein offenherziger und liebenswerter frauenversteher hihihi…..ne, wirklich gut. Thänx

    Gefällt 1 Person

  2. Hallo Tobias,

    ich bin über dein Interview mit Janine auf deine Rezension zur Sophie Passmann und dein Blog aufmerksam geworden. Ich persönlich sehe aus meiner feministischen Position heraus Sophie Passmanns Buch eher kritisch. Das liegt vor allem daran, dass sie eben wieder bekannten alten weißen Männern eine Bühne gibt, auf denen sie ihre eigentlich schon bekannte Meinung breittreten können, während gleichzeitig so viele Stimmen nicht gehört werden, die die Feminismusdebatte zumindest für mich weiterbringen und mehr bereichern könnten. Deinen gut differenzierten Beitrag fand ich deshalb spannend, vor allem weil das Buch auf dich so eine positive Wirkung hatte und dich ein Stück näher an feministische Positionen heranführen konnte.
    Ich finde es aber wieder einmal spannend, dass auch du schreibst, dass du für Gleichberechtigung einstehst, aber gleichzeitig niemals Feminist sein wirst. Ich habe das schon so oft gehört und gelesen und finde das wirklich paradox. Das Kernziel des Feminismus ist eben, die Gleichberechtigung aller Geschlechter. Und auch wenn in dem Wort Feminismus „feminin“ drinsteckt, richtet er sich nicht nur an Frauen, sondern an alle Menschen. Wenn du also wirklich für die Gleichberechtigung aller Geschlechter bist, wie du in deiner Rezension schreibst, könntest du dich auch getrost Feminist nennen. Warum denkst du also, niemals Feminist werden zu können?

    Liebste Grüße
    Cora

    Gefällt 1 Person

    1. Hallo Cora, für mich liegt das tatsächlich an der Begrifflichkeit. Ich lehne prinzipiell alles ab, was auf -ismus endet, denn dahinter verbirgt meist eine radikale und nicht tolerante Geisteshaltung. So geht es mir auch mit dem Feminismus. Wenn ich sehe, wer sich alles als Feminist*in bezeichnet und welch radikale Positionen stellenweise vertreten werden, bis hin zum offenkundigen Männerhass, dann kann und will ich mich damit nicht identifizieren. Es müsste einen neuen, unbelasteten Begriff geben, der für einen Neuanfang und einen offenen und wertschätzenden Umgang der Geschlechter steht. Die Bezeichnung Feminismus ist von der Konnotation nicht nur einseitig, sondern in meinen Augen auch verbrannt.

      Herzlich:
      Tobias

      Gefällt 1 Person

Hinterlasse einen Kommentar