7 Gründe warum die Corona-Krise eine Chance für die Buchbranche sein kann

(1) Weil jede Krise eine Chance ist
Eine Krise verändert Menschen. Wer sie übersteht, blickt anschließend anders auf die Welt – ist vorausschauender,  sensibler und vielleicht auch achtsamer geworden. Eines kann man jetzt schon sagen: Corona hat was mit uns Menschen gemacht und hinterlässt bleibende Spuren. Unser Leben wird danach ein anderes sein. Und ganz sicher ist: Auch die Buchbranche wird sich durch Corona massiv verändern – vielleicht gar nicht mal zu ihrem Nachteil.

(2) Weil Verzicht neue Begehrlichkeiten schafft
Das kennt man aus Kindheitstagen: All das, was verboten ist und man nicht haben kann, will man plötzlich unbedingt und sofort. Und natürlich überkommt einen der unbändige Wunsch, ein gutes Buch zu kaufen, gerade dann, wenn alle Buchhandlungen geschlossen sind. Seit einer Woche erwische ich mich mehrmals am Tag bei dem Gedanken, wie schön es jetzt wäre, einfach in die Stadt zu fahren, in meinen Lieblingsbuchladen zu gehen, um ein bisschen zu schmökern. Lasst uns dieses Verlangen konservieren für die Zeit danach.

(3) Weil Langeweile der Anfang von allem ist
Shut Down und das Eingesperrtsein in den eigenen vier Wänden hat etwas wieder hervorgebracht, was man seit Playstation, Internet und Netflix eigentlich für ausgestorben hielt: die Langeweile. Plötzlich haben wir alle wieder Zeit ohne Ende, die irgendwie gefüllt werden muss. Nach einer oder höchstens zwei Stunden hat man das Internet erstmal ausgelesen und auch von der besten TV-Serien schafft kaum einer mehr fünf Folgen am Stück. Was macht man also mit dem Rest des Tages? Die Chance ist groß, dass man vor lauter Langeweile wieder einmal zu einem Buch greift und feststellt, dass damit nicht nur die Zeit wie im Fug vergeht, sondern man beim Lesen in ferne Länder reisen und Menschen nahe kommen kann, ohne sich zu infizieren.

(4) Weil Amazon gar nicht dein größter Feind ist
Jahrelang galt Amazon als Feindbild in der Buchbranche und Jeff Bezos als der Mann, der den deutschen Buchhandel in den Abgrund gestürzt hat. Und jetzt? Jetzt, wo der Buchhandel durch Corona am Boden liegt und Bezos richtig profitieren könnte, zieht er sich aus dem Buchgeschäft zurück und verkündet, dass sich Amazon in dieser Situation lieber auf Haushaltswaren konzentriert. Und da wird auf einmal zweierlei deutlich: wie überlebenswichtig Amazon für die Verlage und Autoren mittlerweile ist und wie groß auf der anderen Seite das Versagen des Buchhandels, dem es mit all seiner Branchenexpertise in all den Jahren noch immer nicht gelungen ist, einen gleichwertig attraktiven Onlinehandel aufzuziehen. Höchste Zeit also, dass sich das endlich ändert.

(5) Weil Buchmesse nicht online geht
Vor einem Monat habe ich noch Witze über Corona und Leipzig gemacht. Doch schon kurz danach war mir gar nicht mehr nach Satire, denn ein Bücherfrühling ohne Buchmesse ist ein ziemliches Trauerspiel.  Wie stark Leipzig fehlt, wird einem erst recht durch die verzweifelten Versuche bewusst, im Netz einen wie auch immer gearteten Ersatz zu schaffen. Hier bewahrheitet sich wieder einmal, was auch für Journalismus und Literaturkritik gilt: online ist immer nur eine Ergänzung aber kein Ersatz.

(6) Weil die Krise immer schon da war
Wenn eine Branche sich mit Krisen auskennt, dann die Buchbranche. Die fetten Jahre kennen viele nur noch vom Hörensagen. Zuletzt war eigentlich immer nur noch Krise, mal mehr und mal weniger. Man hat sich in der Flaute eingerichtet, von der Hand-in-den-Mund gelebt und einen ganz eigenen, prekären Charme ausgebildet. Die Branche hat über die Jahre gelernt, mit wenig auszukommen und das Beste daraus zu machen. Alle wussten, dass es nicht klug und sinnvoll ist, Jahr für Jahr immer mehr Bücher für immer weniger Leser zu produzieren. Doch es wurde trotzdem gemacht, und bisher ist das auch immer gut gegangen.

(7) Weil auch Hoffnung systemrelevant ist
Zweckoptimismus ist gut und gerade jetzt sehr wichtig. Aber machen wir uns nichts vor: Nicht alle werden den Shut Down unbeschadet überstehen. Und den nicht systemrelevanten Kulturbetrieb wird es besonders hart treffen. Dienstleister, Verlage, Buchhandlungen, die schon zuvor nur gerade so klar gekommen sind, sich von Monat zu Monat durchgehangelt haben, all die werden nach der Corona-Krise trotz staatlicher Hilfen wohl nicht mehr da sein. Das ist brutal und schmerzhaft, aber darauf müssen wir uns wohl einstellen. Die Welt verändert sich und mit ihr der Buchmarkt. Und trotzdem bin ich hoffnungsfroh. Vielleicht finden in diesen schweren Zeiten ja doch wieder mehr Menschen einen neuen Zugang zur Literatur. Denn Bücher geben Trost, Kraft und Hoffnung, und das ist in Krisenzeiten dann doch irgendwie systemrelevant.

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Foto: Gabriele Luger

3 Kommentare

  1. Ja, okay…….schönes Foto!

    „Leiden ist kein Durchgang zu größerer Vollkommenheit,
    kein Weg zur Vollendung.
    Das kann es nicht sein,
    denn es verwirrt und schwächt und lenkt den Geist ab,
    drückt die vitalen Kräfte herab,
    verdunkelt den Geist.“
    (Sri Aurobindo)

    Mehr kann ich grad nicht dazu sagen…………..

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