Ich will hier nur sitzen.

(bibliophil = soziophob?)

Bücherfreunde sind keine besonders spannenden Lebenspartner. Das zeigt sich ganz besonders bei der täglichen Abendgestaltung. Wenn es nach mir ginge, könnte ich 365 Tage im Jahr jeden Abend das Gleiche tun. In meinem alten Sessel sitzen und lesen. Nicht eine Minute kommt mir in den Sinn, dass ich irgendetwas verpassen könnte. Freunde besuchen oder ins Kino gehen? Warum? Waren wir da nicht erst letztes Jahr?

Im besten Fall hat man einen Partner, der auch gerne liest. Es gibt für mich nichts Schöneres, als gemeinsam auf dem Sofa sitzend den Abend zu verbringen. Jeder mit seinem Buch und einem Glas Wein. Dazu ein paar Knabbereien und unaufdringliche Musik. Was es zum Alltagsgeschehen zu sagen gab, hat man bereits beim Abendbrot erledigt. Auf dem Sofa ist dann Ruhe. Ab und zu gibt es mal eine zärtliche Berührung und die Nachfrage: wie ist Dein Buch? Oder: willst Du auch noch ein Glas Wein? Gemeinsam einsam, jeder in seiner Romanwelt. Herrlich!

Das ist der Idealzustand. So könnte es immer sein. Aber leider kommt einem immer wieder das Leben dazwischen. Berufliches wie Privates. Dinge, die auch nett sind – ohne Frage. Telefonate, Verabredungen, hin und wieder mal eine Geburtstagsparty. Aber alles Dinge, die Zeit kosten. Und zwar Lesezeit. Wer wie ich einen anstrengenden, kommunikativen Beruf hat, freut sich auf die zwei, drei friedvollen Lesestunden zum Feierabend. Bevor einem vor Müdigkeit die Augen zufallen und man am nächsten Morgen wieder raus muss.

Für meinen Geschmack hat so ein Tag viel zu viel Arbeitszeit und viel zu wenig Lesezeit. Und wenn man dann auch noch aus gesundheitlichen Gründen Ausdauersport machen muss, bleibt einem kaum noch Zeit für Zwischenmenschliches. Am liebsten würde ich soziale Kontakte auf die Zeit werktags von 9.00 bis 19.00 Uhr beschränken. Optimal ist es, wenn man mit Geschäftspartnern auch befreundet ist. So kann man private Kontakte unbestraft auch während der Arbeitszeit pflegen und hat abends seine Ruhe.

Um nicht als mürrischer Bücherkauz zu enden, bin ich froh, dass meine Frau zwar gerne liest, aber auch noch andere Interessen hat. Sie sorgt dafür, dass ich nicht völlig vereinsame und wir alle paar Wochen auch privat mal unter Leute kommen. Es ist dann auch meistens sehr unterhaltsam und nett. Aber mehr als ein bis zwei mal im Monat muss ich das nicht haben.

Das weiß meine Frau, nimmt darauf Rücksicht und fragt mich abends gar nicht mehr, was ich am liebsten machen will. Denn ich will nicht ins Kino, nicht ins Theater, zu keiner Party und nicht zum Essen eingeladen werden. Und ich hasse Spieleabende. Ich will ich hier nur sitzen und lesen.

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