Bret Easton Ellis – Weiß

Auf Facebook und Instagram habe ich schon geschrieben, was ich von diesem Buch halte. Nämlich nichts. Es ist nicht nur in weiten Teilen sterbenslangweilig, wenig originell und fast schon einfältig. Es ist auch wehleidig, selbstverliebt und am Ende einfach ein kompletter Schuss in den Ofen. Dabei war Bret Easton Ellis bis dato einer meiner literarischen Helden. So alt wie ich, aber während ich noch Zivildienst machte, hatte er schon seinen ersten Roman ‚Unter Null’ veröffentlicht. Kurz darauf den zweiten, und im Alter von 27 kam dann American Psycho, ein Buch, das ihn zur Legende und unsterblich gemacht hat. Danach hätte er sich zur Ruhe setzen und seinen Ruhm genießen können. Aber was macht der Kerl? Er twittert sich um Kopf und Kragen und zerstört mit diesem Buch voll windiger Ausflüchte und Erklärungen sein Denkmal bis auf die Grundmauern.

Es ist nicht so, dass alles kompletter Blödsinn wäre, was er so in diesem Memoir behauptet. Ja, noch nicht mal einzelne Aussagen könnte ich rausgreifen und sagen: Seht her, das geht doch gar nicht. Es ist der Grundtenor, der ein ungutes Gefühl in mir aufkommen lässt. Wenn Ellis von den Linken als eine sich moralisch überlegen fühlende, intolerante und autoritäre Wutmaschine spricht, wenn er den Trump-Gegnern einen kindischen Faschismus unterstellt, die Generation der Millenials als übersensible Weicheier bezeichnet, dann mag überall vielleicht ein Fünkchen Wahrheit dahinter stecken, aber insgesamt erinnert mich das doch sehr an das Vokabular latent reaktionärer Kräfte, die einfach nicht einsehen wollen, dass sich die Gesellschaft in den letzten zehn, fünfzehn Jahren verändert hat und bestimmte Dinge einfach nicht mehr toleriert werden.

Und wer nachts im besoffenen Kopf zum Handy greift, um bei Twitter einfach mal seine Meinung herauszulallen, darf sich nicht wundern, am nächsten Morgen ein böses Erwachen zu erleben. Und so erscheinen mir viele Passagen im Buch wie nachträgliche Rechtfertigungen und an den Haaren herbeigezogene Erklärungsversuche für misslungene Tweets. Und wie immer, wenn einer aus der Defensive argumentiert, klingt auch seine Kritik an den Tugendwächtern und Wörtlichnehmern auf Twitter wie die beleidigte Retourkutsche eines abgehalfterten VIP, der krampfhaft versucht, sein ramponiertes Image wieder aufzupolieren.

Wenn es denn wenigstens halbwegs originell wäre, hätte ich der Lektüre ja noch irgendetwas Künstlerisches abgewinnen können. Aber gerade am Anfang liest es sich wie eine Aneinanderreihung peinlicher Facebook-Posts von Leuten, die ihre Kindheit in den Siebzigern glorifizieren. „Wir waren immer aktiv und in Bewegung, ob auf Spielplätzen oder in Parks; das Fernsehen bestand nur aus ein paar Dutzend Sendungen; unsere Eltern waren praktisch nicht existent.“

Ja, lieber Bret Easton Ellis, du hast es ganz richtig erkannt: seit damals hat sich ganz schön was getan in der Welt. Alles ist wesentlich komplexer und vielschichtiger geworden, alte Besitzstände, Hoheitszonen und Denkmuster sind weitestgehend verschwunden. Dazu gehört auch, dass man sich den Respekt, von dem man glaubt, man hätte als relevanter Gegenwartsautor einen Anspruch drauf, täglich neu erarbeiten muss. Vor 28 Jahren mal einen Mega-Bestseller geschrieben zu haben und danach eigentlich nur noch mittelmäßiges Zeug, ist definitiv zu wenig. Wahrscheinlich würde „American Psycho“ heutzutage nur noch ein müdes Schulterzucken provozieren. Denn so weichgespült und übersensibel sind die von Ellis abschätzend „Generation Weichei“ genannten Millenials gar nicht. Sie sind sogar ziemlich hart drauf und wesentlich kompromissloser als wir Babyboomer.

Ich gebe Ellis recht, dass die dauerempörte Stock-Im-Arsch-Fraktion den Wahlsieg Trumps wohl erst möglich gemacht hat. Weil es genügend Menschen gibt, die von der zunehmenden Komplexität und dem gesellschaftlichen Wandel überfordert sind und sich nach einfachen und althergebrachten Lösungen sehnen. Menschen, die sich den gepflegten Herrenwitz nicht verbieten lassen wollen und immer noch in den Achtzigern leben. Aber wie Ellis zu sagen: „ich bin ja auch gegen Trump, aber der Typ ist nun einmal gewählt, findet euch damit ab und hört auf zu nerven“, ist in meinen Augen fast noch schlimmer. Trump ist eine lebende Katastrophe und eine Gefahr für den Weltfrieden und wer als us-amerikanischer Autor nicht nur nichts dagegen tut, sondern sich auch noch über die, die etwas tun, lustig macht, der hat bei mir sämtliche Sympathien verspielt.

Da hilft auch nicht, dass Ellis auf den über 300 Seiten von „Weiß“ immer wieder betont, dass kein Grund besteht, sich aufzuregen. Denn das ist ja alles nur seine persönliche Meinung und die wird man ja wohl noch äußern dürfen. Darf man, lieber Bret Easton Ellis und die Generation Weichei wird sich dafür einsetzen, dass Du das auch in Zukunft weiter tun darfst. Bei Trump wäre ich mir da allerdings nicht so sicher.

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Foto: Gabriele Luger

Verlag: Kiepenheuer & Witsch
316 Seiten, 20,00 €

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