Howard Jacobson – Im Zoo.
Früher, als junger, über vieles noch staunender Leser habe ich mir oft Sätze in Büchern unterstrichen. Dann viele Jahre nicht mehr. Bei Howard Jacobson habe ich wieder mit dem Unterstreichen angefangen. Zum Beispiel Sätze wie diesen hier: „Wie alle anderen in der Welt auch, wollte Vanessa eine Schriftstellerin sein, deren Bücher veröffentlicht wurden. Sie war das, was die Zukunft uns verhieß: keine Leser mehr, aber alle sind Schriftsteller.“
Der aktuelle Roman des – wie die Medien schreiben – witzigsten britischen Autors ist voll mit solch ernüchternden Feststellungen über den Zustand des Buchmarktes. Und wer in letzter Zeit mal einen Blick in die Verkaufsräume einer der großen Buchhandelsketten geworfen hat, kann Jacobson nur zustimmen. Was noch läuft sind Kochbücher für Bulimiker, Fantasy- und Vampir-Geschichten, Regional-Krimis und dicke History-Epen mit den Tudors. Bücher müssen entweder einen praktischen Nutzwert bieten oder eine bemerkenswerte, bisher nie dagewesene Geschichte erzählen. Dafür gibt es laut Jacobson noch immer Leser. Für alles andere nicht mehr – „die Belletristik jedenfalls war am Arsch“ so sein vernichtendes Urteil.
Natürlich ist das eine sehr zynische und übertriebene Sichtweise. Man weiß nicht ob man lachen oder weinen soll angesichts des schwarzen, britischen Humors, mit dem Jacobson den Niedergang der Buchbranche skizziert. Dargestellt in der Figur des Schriftstellers Guy Abelmann, der verzweifelt versucht, sich im Geschäft zu halten. Mit einem letzten Tabubruch als Story für seinen nächsten Roman: Sex mit der Schwiegermutter! Und zwar seiner eigenen Schwiegermutter. Und so versucht der Ich-Erzähler im Verlauf der Geschichte, sich an die immer noch sehr attraktive Mutter seiner Frau heranzumachen.
Das alles hat mich sehr gut unterhalten. Jacobson ist wirklich witzig, ein sympathischer Zyniker und Macho, der nicht nur den Niedergang der Buchbranche, sondern auch den ewigen Kampf der Geschlechter trefflich auf den Punkt bringt. Zum Beispiel mit dieser Aussage über die Anziehungskraft von Schriftstellern auf Frauen: „Man schenke einem Mann ein, zwei Worte mehr als normal ist, und er wird immer eine Frau finden, die ihn verehrt.“
Und während ich das hier schreibe, fällt mir auf, dass ich Jacobson auf den Leim gegangen bin und als ein Leser vorgeführt werde, der keinen Deut besser ist, als das degenerierte Publikum in seinem Roman. Denn letztlich wollte auch ich nur wissen, ob der Protagonist es denn tatsächlich schafft, seine Schwiegermutter ins Bett zu kriegen. Als Nicht-Leser findet man die Antwort darauf bestimmt in irgendeiner Rezension bei Google. Die letzten verbleibenden Leser dagegen finden sie „Im Zoo“.
Titelfoto: Gabriele Luger
Danke fürs Neugierigmachen und all diese Worte! Top!
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Ja, was jetzt? Hat er die Schwiegermutter flach gelegt oder nicht?
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Das Buch wird Dir bestimmt gefallen! Lesen, dann erfährst Du es! 😉
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»Und jetzt?«, sagte Poppy.
Und jetzt lieben wir uns auf dem Fußboden und warten darauf, dass das Biest stirbt, dachte ich. Sex ist niemals besser, als wenn es ganz in der Nähe mit etwas zu Ende geht, und ich meine nicht einfach nur eine Ehe. Lust und Tod nennen die Deutschen das, und die müssen’s ja wissen.
Ich war am Ende froh, das Buch durch zu haben. Bei allem Witz und der lobenswerten Treffsicherheit drehte sich der Text für mich irgendwann nur noch im Kreis.
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