Seit es ihn gibt, erregt der Deutsche Buchpreis die Gemüter. Als PR-Mann kann ich nur sagen – genauso muss es sein. Zank und Streit, kleine und große Skandale – all das interessiert die Menschen und natürlich auch die Medien. Und genau deswegen ist der Deutsche Buchpreis auch im elften Jahr seines Bestehens noch immer das Literatur-Ereignis des Jahres. Ich habe mal ein wenig im Netz recherchiert und ein paar kleine und große Skandale gefunden.
Der Shortlist-Skandal
Egal, welche Bücher auch immer auf der Long- und Shortlist stehen, wenn ein bestimmtes fehlt, ist es ein Skandal. Die stattdessen nominierten Titel sind es auch und überhaupt – der komplette Buchpreis an sich ist ein einziger großer Skandal. Gibt man „Deutscher Buchpreis“ in Kombination mit dem Begriff „Skandal“ bei Google ein, erhält man alleine über 9000 Treffer. Exemplarisch für die jedes Jahr aufs Neue einsetzende Long- und Shortlist-Kritik, hier mal ein Text von Tilman Krause aus dem Jahr 2012. Ich bin sehr gespannt, welches Buch in diesem Jahr skandalöserweise auf der Longlist fehlen wird. Wie man gestern in der FAZ lesen konnte, wird es auf alle Fälle schon mal Ralf Rothmann sein – und das auch noch freiwillig.
Verweigerung
Alle, die es noch nicht wussten, werden jetzt aufhorchen. Wie? Ralf Rothmann will nicht mitmachen? Er verzichtet freiwillig auf 25.000 Euro, eine sechsstellige Verkaufsauflage und die lukrative Aussicht auf Lizenzverkäufe? Das ist ja ein Skandal!
Und in der Tat – das wirft kein gutes Licht auf den Deutschen Buchpreis. Der Top-Favorit ist aus dem Rennen. Blöd auch für den diesjährigen Preisträger, der immer mit dem fahlen Beigeschmack leben muss, den Preis nur gewonnen zu haben, weil Ralf Rothmann verzichtet hat. Für den Verweigerer ist das natürlich ein cooler Auftritt und – wenn auch ungewollt – zusätzliche Publicity. So wie schon im Jahr 2008, als Peter Handke auf seine Longlist-Nominierung verzichtet hat, um jüngeren Autoren eine Chance zu geben.
Boykottaufruf
Eine nicht ganz so freundliche Art der Verweigerung ist der Boykott. Im letzten Jahr stand Michael Ziegelwagner mit seinem Roman „Der aufblasbare Kaiser“ auf der Longlist und machte mit so einem Boykottaufruf auf sich aufmerksam. Die 20 Longlist-Autoren, so sein Aufruf, sollten sich das Preisgeld von insgesamt 37.500 Euro untereinander aufteilen, die Verleihungszeremonie schwänzen und stattdessen ein Picknick vor dem Frankfurter Rathaus abhalten. Da Ziegelwagner nicht nur Romane schreibt, sondern auch Titanic-Redakteur ist, nahm schließlich niemand diesen Boykottaufruf so richtig ernst. Auch bei seinem Artikel über den misslungenen Aufruf weiß man nicht immer, ist das jetzt Satire oder Galgenhumor?
Sexismus/Feminismus
Bei der Genderthematik kann man eigentlich nur verlieren. Egal, welchen Standpunkt man vertritt – der Shitstorm ist beinahe vorprogrammiert. Rund um den Buchpreis kommt es immer mal wieder gerne zu kleinen oder größeren Feminismus-Debatten. Mal geht es um die politisch korrekte Benennung von Autoren oder Autorinnen, wie sie im letzten Jahr von Marlene Streeruwitz in einem Artikel angeprangert wurde. Dann wieder um das Geschlechterverhältnis auf der Longlist, das wie zum Beispiel im letzten Jahr mit 15 Autoren und nur fünf Autorinnen nicht gerade ausgewogen war. Ob da eine Frauenquote schon bei der Vorauswahl helfen könnte, ist fraglich.
Aber wenn auch die Frauen in der Longlist unterrepräsentiert sind, bei den Preisträgern haben sie mit 6:4 ganz klar die Nase vorn. Und auch beim Buchpreis-Wording können Feministinnen sich eigentlich nicht beklagen. Das Objekt der Begierde, der Buchpreis ist zwar eindeutig maskulin, aber um den zu bekommen, muss man einige feminine Hürden nehmen. Als da wären: die Einreichung, die Jury, die Nominierung, die Longlist, die Shortlist und nicht zu vergessen: die Preisverleihung.
Literaturpreis vs. Marketingpreis
Dass Preise und Auszeichnungen für Aufmerksamkeit sorgen und damit zur Verkaufssteigerung beitragen, dürfte hinlänglich bekannt sein. Trotzdem wird gerade das am Deutschen Buchpreis immer wieder kritisiert. Das ist kein Literaturpreis, sondern in erster Linie ein Marketingpreis. Damit wird der Fokus der ohnehin schrumpfenden Leserschaft noch mehr eingeschränkt. Nur noch die nominierten Titel bekommen die mediale Aufmerksamkeit und der Rest kann sehen wo er bleibt. Daher haben die kleinen, unabhängigen Verlage mit der Hotlist ihren eigenen Preis ins Leben gerufen, der aber letztlich auf einer anderen Ebene die gleichen Auswirkungen hat.
Und in der Tat – der Deutsche Buchpreis ist in Sachen Marketing und Verkaufsförderung eine wirklich erfolgreiche Sache. Ich habe eine Statistik gefunden, die zeigt, dass alle Preisträger bis auf Terezia Mora eine sechsstellige Auflage erzielen konnten. Allen voran natürlich Uwe Tellkamp, der mit 450.000 verkauften Exemplaren neben Julia Frank der bisher erfolgreichste Preisträger ist. Bei den verkauften Auslandslizenzen führt Julia Frank die Liste mit 34 Lizenzen an. Ich finde solche Erfolge einfach skandalös.
Quelle: Statista
Quelle: Statista
Fazit – nach dem Skandal ist vor dem Skandal
Nicht erst seit Marcel Reich-Ranicki wissen wir, über Literatur lässt sich herrlich streiten. Die eine, ultimative Meinung über einen Autor, einen Roman gibt es nicht. Zu jedem positiven Urteil gibt es immer auch die gegenteilige Meinung. Erst wenn keine Gegenrede mehr kommt, alles kritiklos hingenommen wird, keiner mehr „Skandal“ ruft, müssen wir anfangen, uns Sorgen zu machen.
Titelfoto: Gabriele Luger
Also gehen wir Ralph Rothmann lesen, vergegenwärtigen uns, daß eine Auswahl immer subjektiv ist und wenn man zwanzig Bücher auf die Liste setzt, bleibt das einundzwanzigste über oder die 150 der großen Verlage, die auch noch vorgeschlagen waren oder die dreißig der Hotlist und und…
Interessant ist auch, daß sich niemand über die drei Bachmannpreisträgerinnen und die vierzehn dort antretetenden Frauen aufregte und eine verpflichtende Männerquote fordert und ich finde diesen Artikel, ein Monat vor der Bekanntgabe der Liste sehr heilsam, weil er vor möglichen Fehlschlüßen dann, warnt.
Also nicht aufregen, über das, was dort dann fehlt, sondern, wie es schon im Vorjahr geschah, einen zweiten Tisch in der Büchhandlung aufstellen, wo dann die anderen Bücher stehen und ich überlege mir inzwischen, ob ich mir heuer die zwanzig Bücher besorgen und bis Frankfurt lesen soll?
Spannend wär daran herauszufinden, wie mein Urteil im Zusammenhang mit der Jury-Meinung steht, aber dann mach ich vielleicht genau das, was der Buchhandel von mir wollte.
Aso abwarten und wissen, es gibt mehr als zwanzig gute Bücher und die zu lesen, kann auf keinen Fall schaden!
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Ich glaube ich habe nach Bauchgefühl eine gute Frauenquote. Bin ich der 28%-Blogger?
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