Mireille Zindel – Kreuzfahrt.
Die erste Frage, die sich stellt: Ist das ein Frauenbuch? Von selber wäre ich gar nicht auf die Idee gekommen. Nichtsahnend postete ich ein Foto vom Buchcover auf Facebook und schrieb dazu, dass ich von der Lektüre der ersten drei Seiten bereits sehr begeistert sei. Und tatsächlich, Mireille Zindel gibt von Anfang an alles, legt sich mächtig ins Zeug. Sprachlich hat mich das sofort sehr angesprochen. Ich habe gleich gemerkt, dass die Autorin richtig gut schreiben kann, besser als die meisten. Dass sie die richtigen Worte auswählt und zu formschönen Sätzen arrangiert, voller Tiefe und Gefühl.
Und da haben wir schon das erste Schlüsselwort: Gefühl – ergo Frauenbuch. Noch dazu geht es um Liebe – zweites Schlüsselwort – um eine komplizierte Liebe, um Irrungen und Wirrungen, um Hoffen und Bangen. Das alles steht schon auf dem Backcover und da waren meine ersten Facebook-Freunde auch schon raus. Frauenbuch! Interessiert mich nicht! Das war der Tenor und ich dachte nur: was geht?
Bevor ich auf diesen Roman eingehe, möchte ich das noch kurz klarstellen. Ist ein Buch automatisch ein Frauenbuch, nur weil es um Liebe, genauer gesagt, um die vielen verschiedenen Stadien des Sich-Verliebens geht? Zur Liebe gehören doch immer zwei. Herkömmlich gesehen Mann und Frau. Ist die Liebe allein deshalb schon ein weibliches Thema, weil es DIE Liebe heißt? Sind weibliche Artikel schon ein Hinweis auf die Zielgruppe? Ist die DIE Liebe ein Frauenthema und DER Sex ein Männerthema? Genau wie DIE Ehe und DER Seitensprung? Ist es wirklich so einfach? Also bitte, das ist selbst mir zu oberflächlich.
Ja, die Kreuzfahrt ist ein Liebesroman. Und wen dieser Begriff schon abschreckt, für den kommt es jetzt noch schlimmer: Eigentlich ist das hier sogar ein 280 Seiten langer Liebesbrief. Nun ist es raus und die Gefühlskrüppel können jetzt schon aufhören zu lesen. Allen anderen sei gesagt, dass man in diesem Buch herrlich schwelgen kann. In Gefühlen und vor allen Dingen in schöner Sprache. Der ganze Roman ist ein Brief von Meret an Jan, einer Ehefrau an einen Ehemann. Das Problem ist, dass Jan nicht der Mann von Meret ist. Sie ist mit Dres und er ist mit Romy verheiratet, alle vier haben Kinder und sind Nachbarn.
Meret erzählt in ihrem Roman-Liebesbrief die Geschichte einer Amor Fou; vom ersten Aufeinandertreffen im Italienurlaub bis zur letzten Begegnung der Beiden in einem Züricher Treppenhaus. Wer jemals unglücklich verliebt war, kann das alles hundertprozentig nachvollziehen. Alleine das Schreiben dieses Briefes – denn man muss das alles irgendwie loswerden – die Rekapitulation der Ereignisse, das sich langsame Anbahnen, die Zweifel, dazwischen das ganz normale Leben – all das ist nicht aufgesetzt und emotional verklärt, sondern klar und authentisch geschildert. Und deswegen hat mich diese Geschichte auch so bewegt. Frauenroman hin oder her – eine unglückliche Liebe ist eine unglückliche Liebe und bewegt Mann und Frau gleichermaßen.
Ich persönlich bin ein großer Liebhaber der Briefform. Nirgendwo sonst kann man so herrlich persönlich werden, Gefühle verpacken und adressieren. Und genau das ist es, was Mireille Zindel hier macht. Sie schreibt einen Brief an Jan, den er wahrscheinlich niemals lesen wird. Und dennoch bleibt die Hoffnung, dass er das doch irgendwann tun wird. Was sie da beschreibt, ist eine Art Nachlass, ein emotionales Testament. Falls Meret später mal von den Enkelkindern gefragt wird, ob sie jemals richtig geliebt hat, dann kann sie das vergilbte Manuskript aus dem Geheimversteck des Sekretärs holen und sagen: „Guckt mal, ich war nicht immer alt. Und mein Leben ist auch nicht immer geradlinig verlaufen. Das hier hätte etwas ganz Großes werden können. Doch am Ende ist es anders gekommen. Wie so oft im Leben.“
Ok, meinetwegen ist das eine stinknormale Liebesgeschichte und bin ich eine Muschi, weil ich das gut finde. Dann ist das nun mal so. Ich blicke trotzdem sehr zufrieden auf die Lektüre dieses Briefromans zurück. Sprachlich absolut top, starke Gefühle, interessante Verwicklungen und alles sehr kurzweilig in Szene gesetzt. Nur die Sexszenen sind etwas kurz und detailarm geschildert und da merkt dann doch, dass es eigentlich ein Frauenbuch ist.
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Titelfoto: Gabriele Luger
Verlag: Kein & Aber
288 Seiten, 19,90
Schlimm ist ja, dass man manchmal sogar als Frau das Gefühl hat, sich rechtfertigen zu müssen, wenn man ein „Frauenbuch“ liest… 🙂
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„Ich habe gleich gemerkt, dass die Autorin richtig gut schreiben kann, besser als die meisten.“ Dieser Satz gefällt mir nicht. Besser als die meisten? Wer sind die meisten? Das ist m.M. nach zu sehr pauschalisiert und erinnert mich an die Äußerung „das beste Buch, das ich je gelesen habe“ in Amazon Rezensionen. Was sagt das aus? Wieviele Bücher werden gelesen, ehe man sagt „besser als die meisten“ ?
Frauenbuch. Meiner Meinung nach ein unnötiges Label. Es kann sich doch jeder Leser bzw. Leserin sein/ihr eigenes Bild machen, und wird aus einem Buch ein Männerbuch, wenn es mehr Männer anspricht? Ich kenne belastbare Kriterien für beide Labels nicht. Beste Grüße U.M. (75 Jahre)
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Würde es helfen, wenn ich Namen nenne? Etwas besser als Ruth Cerha, vergleichbar mit Julia Wolf, aber nicht so gut wie Valerie Fritsch? Da würde ich Mireille Zindel ungefähr einordnen. Und natürlich sind die Grenzen zwischen den Genres fließend und immer subjektiv. Trotzdem gibt es diese Bezeichnungen und sie sind auch nötig, um in der Flut der lieferbaren Titel sich als Leser halbwegs zu orientieren.
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Ich habe mir diesen Roman gekauft, weil er interessant klingt und weil du ihn auf deiner Liste für den Deutschen Buchpreis hattest (Hoffe ich darf du sagen) Ich habe jetzt den Text oben nur halb gelesen, weil ich so wenig für möglich wissen will über den Inhalt. Den Rest lese ich mir nach Beendigung des Buches durch möchte aber zum ersten Teil folgendes loswerden:
Ganz abgesehen von der Diskussion, ob und was Frauenromane sind oder eben Männerromane möchte ich mal in den Raum werfen, dass gerade Männer sogenannte Frauenromane lesen sollten weil sie dadurch mehr Empathie empfinden und vielleicht dadurch Frauen besser verstehen können!? Natürlich gilt das auch für Frauen aber Frauen unterscheiden nun einmal nicht zwischen Frauen- und Männerromane.
Letztendlich geht es beim Lesen auch darum andere Sichtweisen zu verstehen und sich in andere hineinzuversetzen. Also Männer das ist die Gelegenheit. Lest Frauenromane!
P.S.: Ja ich bin eine Frau 😉
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