Leserbrief #8

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Lieber T.,

bitte entschuldige, dass ich mich auf diesem Weg an dich wende. Aber irgendwie komme ich im Moment nicht anders an dich ran. Du wirkst so gehetzt, ungeduldig und irgendwie abwesend. Ich traue mich kaum, dich anzusprechen. Da scheint der Blog immer noch der beste Kontaktweg zu sein. Ich weiß, dort guckst auch noch drauf, wenn dich sonst schon gar nichts mehr interessiert.

Sag mal, wie lange haben wir uns nicht mehr ausgetauscht, ein wenig Quality Time gehabt? In irgendeinem Laden sitzen, gute Musik, ein paar Bier und einfach mal reden. Ich weiß ja gar nichts mehr über dich, vermisse die Gespräche über Gott und die Welt, über gute und schlechte Literatur. Was beschäftigt dich eigentlich momentan? Du lässt dir ja nichts anmerken, aber ich kenne dich doch. Wenn du dich so zurückziehst, dann ist irgend etwas.

Im Blog passiert ja ab und zu noch was. Nicht viel, aber hier und da eine Besprechung, Business as usual. Aber sonst? Was ist denn mit den ganzen Netz-Diskussionen? Professionalisierung, Blogger vs. Feuilleton, neue Königsklasse, Marketingkarren – hast du denn dazu gar nichts zu sagen? Was bist du eigentlich für eine Spezies? Ein bloggender Leser oder ein lesender Blogger? Äußere dich doch dazu mal.

Und überhaupt, hatte dein Blog nicht neulich zweiten Geburtstag? Andere machen da was draus, feiern sich und verlosen irgendwas. Letztes Jahr hast du das auch noch getan, aber jetzt? Noch nicht mal ein lausiger Tweet. Hast du keinen Bock mehr? Twitter scheint ja sowieso nicht so dein Ding zu sein. Hast du mal gesehen, was andere da machen? Drei, vier Tweets am Tag Minimum. Während du grad mal zwei oder drei in der Woche schaffst. Dafür hast du scheinbar Instagram wieder für dich entdeckt. Zumindest passiert da mal wieder was. Bin gespannt, ob du das durchhältst.

Was ich dich schon immer mal fragen wollte: Wie ist das eigentlich für dich in deinem Alter mit den neuen Medien? Ich mein, du bist ja nicht gerade ein digital native, warst den Großteil seines Lebens analog unterwegs. Fällt einem das dann schwer, sich tagtäglich bei Facebook, Twitter und Instagram einzubringen? Ich habe das Gefühl, du machst da nicht mehr, als du unbedingt musst.  Ja klar, diese Netz-Diskussionen fressen Zeit und du hast ja auch noch einen Job, der dich fordert. Aber gehört dieser Dialog nicht irgendwie dazu, wenn man ein relevanter Blogger sein will? Es ist anstrengend, ich weiß, aber Bloggen ist nunmal keine Einbahnstraße.

Generell würde mich mal dein Standpunkt zur Flüchtlingspolitik interessieren. Da hast du bisher nicht ein Wort drüber verloren. Gerade du, wo du doch auch einen Migrationshintergrund hast. Warum äußerst du dich dann nicht mal dazu? Das wäre doch genau dein Thema. Fühlst du dich als Ausländer oder als Deutscher oder weder noch? Und beleidigt es dich eigentlich, wenn Menschen es bemerkenswert finden, dass gerade du dich so für deutschsprachige Literatur interessierst und dabei auch noch weitgehend fehlerfrei sprichst und schreibst? Eigentlich eine Unverschämtheit, ja, aber du musst auch die Leute verstehen. Schwarzer Kopp, ungewöhnlicher Name – da liegt das doch nahe.

Ach ja, was ich noch fragen wollte: Blogbuster läuft doch ganz gut, oder? Bist du zufrieden mit dem Rücklauf? Oder hast du dir mehr erwartet? Ich hab gehört 110 Manuskripte sind bisher eingegangen. Dafür, dass Genreliteratur ausgeschlossen ist, ist das doch ganz ordentlich, oder? Jetzt sag doch mal. Lass dir nicht immer jedes Wort aus der Nase ziehen. Freu dich doch, dass man sich für dich interessiert. Wenn nicht, wärst du doch auch nicht zufrieden.

Aber ich merk schon, ich komm nicht an dich ran. Ok, ok, wenn der Herr nicht will, dann will er nicht. Lies, schreib und mach, was du nicht lassen kannst. Ich verzieh mich jetzt und lass dich in Ruhe. Es war trotzdem ein tolles Jahr mit dir.

Es grüßt ganz herzlich, Dein nach wie vor größter Fan.

 

5 Kommentare

  1. Lieber T. lieber Fan,
    nun ist es also so weit: schlimmer Fall von Schizophrenie. Wozu die neuen Medien so führen, wir haben es ja schon immer geahnt, gesund ist es nicht. Da hilft nur: Stecker raus, mit Buch und Gummibärchen ab in den Lesesessel und ab und zu ein Spaziergang mit der Fellnase. Dann wird es wieder, bestimmt.
    Gute Besserung, Claudia

    Gefällt 1 Person

  2. So eine Selbstrefexion ist sicher sehr gut und ich habe auch schon bemerkt, daß hier in letzter Zeit relativ wenige Bücher besprochen wurden, so daß ich mich ein bißchen mit der Frage beschäftigte, was jetzt der Unterschied zwischen einem lesenden Blogger und einem bloggenden Leser ist und wohin das mit der sogenannten Professionalisierung gehen soll und kann?
    Was mir auf diesen Blog aber sehr gut gefallen hat, waren eben diese Leserbriefe, so daß ich mir im neuen Jahr mehr davon wünschen würde!
    Außerdem wünsche ich eine schöne Zeit ein gutes Jahr und bin auf dieses, was diesen Blog betrifft, auch schon sehr gespannt!

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