Es tut mir leid, aber ich kann grad nicht – weder reden, noch schreiben. Bin nur noch am lesen, mache kaum noch etwas anderes. Ich lese DIN A4 Ausdrucke, ich lese PDFs auf dem Reader, ich lese in der Bahn, im Flugzeug, ich lese im Bett und am Frühstückstisch. Ich lese bis mir die Augen tränen, bis die Wörter und Buchstaben verschwimmen. So viel habe ich in meinem ganzen Leben noch nicht gelesen.
Normalerweise sind es drei oder vier Bücher im Monat, jetzt sind es vierzehn. Bücher, die streng genommen noch gar keine sind. Die es erst noch werden sollen. Mit ein wenig Glück und meinem Zutun. Was mir gefällt, bekommt meine Stimme. Ist zwar nur eine von fünf, aber immerhin. Kommt es zum Patt, dann entscheidet diese eine fünfte Stimme; entscheidet über hop oder top. Ob aus einem Word-Dokument, aus einem Haufen bedruckten Papiers ein richtiges Buch wird. Von DIN A4 zu DIN A5. Nicht irgendwann mal, sondern noch in diesem Jahr. Kein Paperback, sondern Hardcover. Ein Buch aus guten Hause; eines, das man im Buchladen kaufen, als Geschenk verpacken und unter den Weihnachtsbaum legen kann. Ein Buch, über das man einmal sagen wird, dass es das erste war, das diesen Preis gewonnen hat.
Oh, Mann. Das ist ganz schön krass. Ich kann noch gar nicht glauben, dass das gerade wirklich passiert. Dass es tatsächlich funktioniert hat, der Plan aufgegangen ist. Mein Baby. Knapp neun Monate bin ich damit schwanger gegangen. In Frankfurt dann die Zangengeburt und seitdem schreit es aus vollem Hals, hat ständig Hunger, quengelt und will auf den Arm. Aber es wächst und gedeiht und entwickelt sich prächtig. Noch stehen viele Prüfungen und Bewährungsproben an, aber auch das werden wir schaffen. Jetzt erstmal Longlist-Krabbelgruppe, bevor im Herbst dann schon die Einschulung im Buchhandel ansteht.
Ich lese und lese und lasse mich fallen. Die Luft schmeckt nach Plastik, es riecht nach Frauen, die schweres Parfüm und Hüte tragen. In der Taiga heulen die Wölfe, eine Familie sitzt im Garten und hat Hunger. Im Nebenhaus wird ein schwarzes Loch installiert. Das alles spürt und erlebt man beim Lesen der Longlist-Romane. Und obwohl es anstrengend ist, macht es mir richtig Spaß. Tolle Plots, interessante Charaktere, experimentell, emotional, humorvoll, spannend. Da ist für jeden etwas dabei. Und alles auf einem wirklich hohen Niveau. Ich kann gar nicht glauben, dass diese Romane noch keinen Verlag gefunden haben. Da kommen jedes Jahr tausende von Büchern auf den Markt und trotzdem ist da noch so viel Unentdecktes, so viel Talent, so viel Potenzial.
Klar entdeckt man hier und da noch ein paar Rechtschreibfehler, Ungereimtheiten und Längen. Aber ich hätte mit deutlich mehr gerechnet. Da haben die Blogger-Kollegen schon eine richtig gute Auswahl getroffen. Und das ist auch ein Punkt, der mich glücklich macht. Dass wir Blogger hier mal wieder gezeigt haben, dass wir Ahnung haben, dass wir gute Literatur nicht nur bewerten, sondern auch entdecken können. Ich lese die Manuskripte und ich sehe dabei den Blogger, die Bloggerin vor mir und glaube zu wissen, warum sie sich gerade für dieses Manuskript, diesen Autor entschieden haben. Die Paarungen sind manchmal naheliegend, manchmal verblüffend aber immer interessant. Ich bin gespannt, ob sich vielleicht sogar Freundschaften daraus ergeben.
Mehr kann ich angesichts des noch laufenden Verfahrens nicht dazu sagen. Ich bitte um Verständnis, dass es hier auch in den nächsten Wochen nicht viel Neues zu lesen geben wird. Aber dafür findet sich auf der Blogbuster-Seite jede Menge von dem, was mich gerade so fasziniert: Leseproben, Interviews und Blogbeiträge rund um die Longlist-Autorinnen und Autoren unseres außergewöhnlichen Experiments.