5 Wahrheiten über den Literaturbetrieb

 

…, die man in David Foenkinos Roman ‚Das geheime Leben des Monsieur Pick‘ findet.

Der französische Bestseller-Autor David Foenkinos hat einen sehr unterhaltsamen Roman über ein geheimnisvolles Buchmanuskript geschrieben, das aufgrund der Umstände seiner Entdeckung zum internationalen Bestseller wird. Eine schöne Geschichte, die viele Wahrheiten über das Lesen, Schreiben und den Literaturbetrieb offenbart. Ich habe mal ein paar herausgepickt.

 

1) Wer nicht liest, kann auch nicht schreiben.

Foenkinos-Zitat Seite 64: “ ‚Hat er gern gelesen?‘ ….. ‚Henri? Gelesen?“ antwortete sie lächelnd. ‚Nein, ich hab ihn nie mit einem Buch in der Hand gesehen. Außer dem Fernsehprogramm hat er nie etwas gelesen.'“

Dass der mutmaßliche Bestsellerautor in Foenkinos Geschichte niemals etwas gelesen hat, führt zu ernsthaften Zweifeln an dessen Urheberschaft. Zu Recht – wer taub ist, kann nur selten gut singen und wer nicht liest, kann in der Regel auch nicht schreiben. Zumindest nicht gut. Es geht dabei nicht um literarische Vorbilder, es geht um eine ungefähre Ahnung, was mit Sprache überhaupt machbar ist. Wie Gedanken klingen könnten, wie man einen roten Faden durch eine Geschichte webt, Zugänge zu anderen Ebenen schafft. Sprich – wie man einen richtig guten Roman schreibt. Das kann man nur, wenn man schon mal einen gelesen hat. Wenigstens einen.

2) Erfolgreiche Bücher brauchen einen Aufhänger

Foenkinos-Zitat Seite 130: „Der Text an sich zählt überhaupt nicht mehr. Man braucht nur noch einen einzigen guten Gedanken herauszustellen. Einen Gedanken, der die Diskussion schürt.“

Eigentlich ist es so einfach, ein erfolgreiches Buch zu schreiben. Man muss im Prinzip nur einen guten Aufhänger finden. Und dafür geht man am besten in den Buchladen und schaut, wie Bücher verkauft werden. Da wird nicht lang und breit eine Geschichte erzählt, da wird verschlagwortet: ‚Dieses Buch ist ganz aktuell, behandelt die Flüchtlingsproblematik, dies hier ist sehr bewegend, da wird ein Kind jahrelang brutal misshandelt, hier ist der Vater ein Hochstapler, hier kloppen sich Hooligans aus Hannover, hier leidet ein Autor an bipolaren Störungen und hier findet eine junge Lektorin ein geheimnisvolles Romanmanuskript‘. Schnelle Empfehlung, schneller Verkaufserfolg, schnell wieder vergessen.

3) Ein Flop ist schlimmer als jahrelange Ablehnung

Foenkinos-Zitat Seite 33: „..es gibt Schlimmeres als das Leid, nicht veröffentlichen zu können: das Leid, überhaupt nicht wahrgenommen zu werden. Nach ein paar Tagen verschwinden die Titel wieder aus den Regalen und man rennt verzweifelt von einer Buchhandlung zur anderen, auf der Suche nach einem Belegexemplar der eigenen Existenz.“

Ja, lieber ein Leben lang von sämtlichen Verlagen abgelehnt werden, als mit dem Debüt sang- und klanglos untergehen. Im ersten Fall kann man die Schuld auf die Unfähigkeit der Verlage oder das System schieben und behält immer noch ein Fünkchen Hoffnung, es vielleicht eines Tages doch noch zu schaffen. Im zweiten Fall weiß man, dass man komplett gescheitert ist, dass letztlich niemanden wirklich interessiert, was man da geschrieben hat, dass all die Verlage recht hatten, als sie das Manuskript ablehnten, dass der Verlag, der es letztlich angenommen hat, sich jetzt wahrscheinlich über seinen Fehler wahnsinnig ärgert und schon überlegt, wie er dich schnell wieder loswerden kann. Vernünftig wäre, mit dem Schreiben einfach aufzuhören, doch die meisten Autoren sind scheinbar Masochisten und tun sich die Demütigung immer wieder und wieder an.

4) Gutes Marketing verkauft auch schlechte Bücher

Foenkinos-Zitat Seite 155/156: „Der Erste, der auf die Idee kam, das Scheitern als Marketinginstrument einzusetzen, war Richard Ducousset…Einige Wochen später erschien das Buch mit folgendem Werbespruch: ‚Von 32 Verlagen abgelehnt.‘ …es gingen mehr als 20.000 Exemplare über den Tisch.

Manchmal frage ich mich, wer legt eigentlich fest, was ein gutes Buch ist? Schaut man sich Diskussionen im Feuilleton an, sieht man, dass auch die Experten sich nur selten einig sind. Ein und dasselbe Buch wird von dem Einen als Meisterwerk und vom Anderen als absoluter Schund betitelt. Das macht den Reiz von Literatursendungen im Fernsehen aus, die Sache aber auch irgendwie beliebig. Wo ist der Maßstab, was ist Qualität? Gut ist, was gefällt. Was andere, die diesen Titel gelesen haben, als nächstes gekauft haben, was auf der Bestseller-Liste steht, einen Preis gewonnen, was der Buchhändler ins Schaufenster legt. Und nicht selten stellt man dann beim Lesen fest, die schlechtesten Bücher haben oftmals das beste Marketing.

5) Es gibt mehr Schriftsteller als Leser

Foenkinos-Zitat Seite 158: „Eine Umfrage der Zeitung Le Parisienne ergab, dass jeder dritte Franzose schrieb oder vom Schreiben träumte. …Man muss sagen, dass es heutzutage eigentlich mehr Schriftsteller als Leser gibt“

Meine Rede seit vielen Jahren. Ordentlich, tüchtig oder fleißig zählt heute nicht mehr. Stattdessen wäre jeder gerne irgendwie begabt und kreativ. Und wenn schon nicht selber, dann zumindest der Nachwuchs. Jedes zweite Kind ist mittlerweile hochbegabt oder künstlerisch besonders talentiert. Das heisst, da kommen in Zukunft noch jede Menge neue Schreiberlinge auf uns zu, die alle noch nie ein Buch gelesen haben, aber unbedingt eins schreiben wollen. Hilfe!

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Foto: Gabriele Luger

 

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