Hörbücher zum Trendthema „Goldene Zwanziger“

Ich habe in den letzten Wochen sehr viele Hörbücher gehört. Von einigen war ich total begeistert, andere fand ich dagegen richtig schlecht. Wenn ich jetzt über jedes Werk in gewohnter Länge schreiben würde, hätte ich viel zu tun. Aber ich will die Bücher auch nicht unter den Tisch fallen lassen. Daher probiere ich jetzt mal ein neues Format aus: Unter einer Themenklammer zusammengefasste Hörbuch-Kurzrezensionen.

Wir starten mit drei Romanen, die alle in den späten zwanziger Jahren des letzten Jahrhunderts in Berlin spielen – ein Setting, das derzeit sehr im Trend liegt.

Volker Kutscher – Der nasse Fisch

Alle reden von Berlin Babylon, einer TV-Serie über die goldenen Zwanziger in Berlin, die noch kaum einer gesehen hat, außer einigen wenigen, die doch tatsächlich ein Sky-Abo haben. Anfang nächsten Jahres sollen die ersten beiden Staffeln auch in der ARD ausgestrahlt werden. Wer nicht so lange warten will, muss wohl oder übel die Romanvorlagen lesen, oder aber — wie ich es getan habe — sich die Hörbücher aus der Gereon-Rath-Reihe von Volker Kutscher reinziehen. Der nasse Fisch ist der erste Band von derzeit sechs Kriminalromanen um Kriminalkommissar Gereon Rath. Während man der Stimme von David Nathan lauscht, ist man plötzlich mitten drin, im Berlin der Zwanziger; auf finsteren Hinterhöfen, in kleinen Mansardenwohnungen, auf rauschenden Festen in verbotenen Nachtklubs, und in der Burg, dem legendären Polizeipräsidium am Berliner Alexanderplatz. Die Nazis sind nicht mehr weit. Das hört man schon am überall vorherrschenden Kommisston, da wird nicht geredet, da wird gebellt. Berliner Schnauze, unfreundlich und grantig. Ich bin super froh, Volker Kutscher, der mir bisher überhaupt nicht präsent war, über den Hörbuch-Umweg doch noch entdeckt zu haben. Intelligente, spannende Unterhaltung und so hochatmosphärisch, dass ich Berlin in den Zwanzigern gar nicht mehr verlassen wollte. Und das hat mich gleich zu meinem nächsten Hörbuch gebracht.

Hans Fallada – Kleiner Mann was nun.

Wieder Berlin, und wieder eine Geschichte, die Ende der Zwanziger spielt. Seit ca. acht Jahren ist Hans Fallada wieder voll hip. Nachdem die Amerikaner aufgrund ihres Faibles für krasse Nazi-Geschichten seinen Roman „Jeder stirbt für sich allein“ wiederentdeckt und verfilmt haben, erlebt dieser fast vergessene deutsche Autor hierzulande ebenfalls eine Renaissance. Auch ich bin auf den Fallada-Zug aufgesprungen und mittlerweile bekennender Fan. Es gibt kaum einen deutschen Romancier, dessen Geschichten mich so anrühren. Bei jedem seiner Romane stehen mir irgendwann die Tränen in den Augen. So auch bei der Liebes- und Lebensgeschichte von Johannes Pinneberg und Emma ‚Lämmchen’ Möhrchen. Der schwere Alltag, die Sorgen ums Auskommen, die Verantwortung für den kleinen Murkel – das ist alles so dicht und atemlos erzählt, dem kann man sich zu keiner Minute entziehen. Fallada kann sich gut hineinversetzen, ist stets zu hundert Prozent in seinen Figuren, begleitet sie liebevoll durch die Geschichte und so wachsen einem Pinneberg und sein Lämmchen ans Herz, man lacht, weint und leidet mit Ihnen. Eine wunderbare Liebesgeschichte, ein bewegendes Zeitdokument — gelesen vom wunderbaren Frank Arnold.

Hans Fallada — Ein Mann will nach oben

Und weil es so schön war mit Hans Fallada im Berlin der Zwanziger, habe ich gleich noch einen seiner historischen Bestseller nachgelegt, „Ein Mann will nach oben“, gelesen von Ulrich Noethen. Wieder mit einem Protagonistem aus kleinen Verhältnissen, aber diesmal einem, der ein klares Ziel vor Augen hat. Karl Siebrecht will nicht nur irgendwie zurechtkommen im Leben, er will die Hauptstadt erobern. Als er im Alter von 16 Jahren Vollwaise wird, packt er seine Sachen und reist von der Uckermark nach Berlin. Im Zug trifft er die dreizehnjährige Rieke Busch, eine waschechte Berliner Göre, die sich als patente Person erweist und ihn die ersten Jahre in Berlin begleitet. Wie bei allen Fallada-Romanen wachsen einem auch hier die Protagonisten schnell ans Herz. Nur der ehrgeizige Karl entzieht sich permanent meiner Sympathie.

Und plötzlich fällt mir ein, dass ich die Geschichte kenne, dass ich ein Gesicht mit diesem Unsympathen verbinde. „Ein Mann will nach oben“ war eine mehrteilige TV-Serie, die in den siebziger Jahren im Fernsehen lief. Perfekt besetzt mit dem schnöseligen Matthieu Carriere als Karl Siebrecht und Ursula Monn als Rieke Busch. Das war sozusagen der Vorläufer von Berlin Babylon; jeder hat das damals gesehen und natürlich auch ich. Aber ich will nicht schließen, ohne hier noch einmal den Sprecher dieses Hörbuchs zu loben und zu preisen. Wer einmal gehört hat, wie Ulrich Noethen den Berliner Dialekt drauf hat, wie er Rieke und die Gepäckkutscher darstellt, wie er den Rittmeister zu Senden gibt, den Kalli, den alten Franz Wagenseil, wie er einen mit seiner Stimme stets wach und konzentriert hält und Gefühle ohne Gefühlsduseligkeit vermittelt – der will nie wieder von einem anderen etwas vorgelesen bekommen.

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Volker Kutscher – Der nasse Fisch
Ungekürzte Hörbuchfassung, 18:10 h
Argon Verlag, gelesen von David Nathan
Im Streaming-Abo von Apple Music

Hans Fallada – Kleiner Mann was nun?
Gekürzte Hörbuchfassung, 7:49 h
Aufbau Audio 2016, gelesen von Frank Arnold
Im Streaming-Abo von Apple Music

Hans Fallada – Ein Mann will nach oben
Gekürzte Hörbuchfassung, 9:29 h
rbb /Osterwold audio, gelesen von Ulrich Noethen
Erhältlich bei Audible

 

Foto: Gabriele Luger

2 Kommentare

  1. Ich höre auch einiges an Hörbüchern, die Besprechungen dazu fallen mir schwerer als bei Büchern. Außerdem ist der Aspekt Stimme sehr wichtig für mich. Sie rettet mich über schlechten Plot hinüber, oder ich komme mit dem besten Buch nicht klar, weil mir die Stimme oder Betonung nicht passt. Schade, dass du über den Sprecher vom Kutscher-Buch nichts geschrieben hast. Obwohl: David Nathan, da muss man auch nix mehr zu schreiben. Der liefert gleichbleibend gute Qualität ab. Allerdings kenne ich ihn eher von Krimis.
    Mit Kutschers Büchern kann ich nichts anfangen. Vielleicht sollte ich aber die Serie mal sehen.
    Ich empfehle dir für weitere Hörbuchtipps die Long- und Shortlisten vom deutschen Hörbuchpreis.
    Viele Grüße
    Silvia

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    1. Ja, die Stimme ist auch mir sehr wichtig. Ich würde gerne mal testen, wie sich der Eindruck eines Buch durch unterschiedliche Sprecher verändert. Es gibt bestimmt von Klassikern solch unterschiedliche Hörbüch-Ausgaben, oder? David Nathan ist ein sehr angenehmer und sich nicht aufdrängender Sprecher. Er liest zum Beispiel auch die Murakami-Hörbücher.

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