Matthew Weiner – Alles über Heather (Hörbuch)

Es gibt in der Literatur kaum ein spannenderes und gleichzeitig dankbareres Thema als die Familie. Dort hat alles seinen Ursprung, nimmt seinen Lauf, gibt Halt und Geborgenheit, hält gefangen, verstößt, versaut und versöhnt. Daher kommen wir, und daraus flüchten wir. In der Familie finden wir das höchste Glück und erfahrenen den tiefsten Schmerz. Es gibt so viele Facetten, so viel daraus resultierendes Schicksal, dass das Thema niemals langweilig wird und jeder sich damit beschäftigende Roman seine Berechtigung hat. So auch Matthew Weiners kleiner Familienroman „Alles über Heather“.

Vorweg sei gesagt, dass das, was immer ehrfurchtsvoll erwähnt wird, wenn über diesen Autor gesprochen wird – dass Matthew Weiner nämlich der Erfinder, Produzent und Regisseur der Fernsehserie „Mad Man“ sein soll – mir so gar nichts sagt. Ich lehne ja TV-Serien aus Prinzip ab und konnte mich daher vollkommen ehrfurchtslos, wenn auch nicht ganz vorurteilsfrei mit diesem Werk beschäftigen. Und was soll ich sagen? Ich fand’s richtig gut.

Man lauscht der Geschichte von Mark und Karen Breakstone, einem New Yorker Upper-Class Pärchen, das mit seiner Tochter Heather in einem vornehmen Appartementhaus am Central Park wohnt. Wie es heutzutage in modernen Bildungsbürger-Kleinfamilien üblich ist, dreht sich auch bei Familie Breakstone alles um den Nachwuchs. Heathers Ansprüchen muss sich jeder unterordnen; nichts ist Mark und Karen wichtiger, als alles für das Wohlergehen und die Entwicklung ihrer Tochter zu tun. Wenn nicht mehr der Partner, sondern eine kleine zickige Prinzessin im Mittelpunkt steht, die gekonnt Vater gegen Mutter ausspielt, wundert es kaum, dass irgendwann die Ehe in die Brüche geht. Aber Mark und Karen bleiben zusammen – natürlich wegen Heather. Lieber unglücklich zusammen sein, als dem Kind die Familie nehmen.

Und dann ist da noch eine Parallelhandlung, die eine ganz andere Welt aufzeigt. Irgendwo im benachbarten New Jersey bricht ein junger Kerl namens Bobby Klasky aus seiner Familie aus, weil sie asozial, verkommen, unerträglich und schädlich ist. Ausbrechen ist eigentlich nicht der richtige Begriff. Bobby entledigt sich vielmehr seiner Familie. Und natürlich wird dadurch nicht alles gut, denn er nimmt alles Schlechte und Unerträgliche, was er bisher kennengelernt hat, mit in sein neues Leben. Das ist nicht weiter verwunderlich, denn was soll schon aus einem Menschen werden, der weder geliebt noch gehasst wurde, der immer nur im Weg und überflüssig war? Dieser Bobby trifft eines Tages auf die wohlbehütete Heather. Und wie ihre Eltern darauf reagieren, kann man sich vielleicht denken, wird hier aber nicht verraten.

Eines möchte ich aber nicht unerwähnt lassen: Wer beim Bücherkauf darauf Wert legt, möglichst viel Literatur für sein Geld zu bekommen, wird hier definitiv enttäuscht. Beim gedruckten Produkt stehen einem Ladenpreis von 16 Euro gerade mal 144 magere Seiten gegenüber, was 11 Cent pro Seite entspricht. Nur mal zum Vergleich: Nino Haratischwilis „Das achte Leben“ würde mit 1250 Seiten beim gleichen Seitenpreis sage und schreibe 137,50 Euro kosten. Das Hörbuch, das von Ulrich Matthes sehr passabel eingesprochen wurde, ist mit 3 Stunden Spieldauer (ungekürzt) für 13.95 € auch nicht gerade ein Schnäppchen.

Aber wer guckt schon bei guter Literatur auf den Preis? Wenn sie denn auch gut ist. Ich würde in diesem Fall sagen: Ja, sie ist es.

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Foto: Gabriele Luger

Hörbuch:
Random House Audio
03:01 h, 13,95 €
gesprochen von Ulrich Matthes

Printausgabe:
Verlag: Rowohlt
144 Seiten, 16,00 €
übersetzt von Bernhard Robben

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