Rocko Schamoni – Tage der geschlossenen Tür
Immer wieder Sonntags kommt die Depression. So könnte man in Abwandlung des alten Cindy&Bert-Klassikers den neuen Schamoni-Roman betiteln. In der Hauptrolle wieder einmal Michael Sonntag, ein klassischer Taugenichts, ein Tagedieb, einer, bei dem ich mich andauernd frage, wie finanziert er überhaupt sein Leben? Ein Leben, das ich nicht führen könnte, was aber durchaus seinen Reiz hat. Ein Leben ohne Verpflichtungen, ein freies Leben. Frei, aber ohne Plan, ohne Perspektive und irgendwie auch ohne Sinn.
Wegen Geschichten und Thematiken wie dieser lese ich so gerne. Ich kann in Lebensentwürfe hinein schnuppern und mir ein Urteil bilden, ohne dabei meine Komfortzone zu verlassen. Michael Sonntags Lebensentwurf besteht allerdings darin, keinen Lebensentwurf zu haben. Das funktioniert eine gewisse Zeit ganz gut. Nämlich genau dann, wenn man noch jung ist. Der Körper vor Kraft strotzt, einem Kippen, Alkohol und durchgemachte Nächte noch gar nichts ausmachen. Wenn man noch genügend Lebenszeit hat, um alles zu werden. Reich und berühmt, geliebt und geschätzt, erfolgreich und erfahren. Doch die Zeit rast und irgendwann sind all die Türen, die einem lange Zeit offen standen, geschlossen.
An diesem Punkt ist Sonntag angelangt. Er wird alt. Sein Kiez verändert sich. Der coole Szenetyp von einst ist nicht mehr cool, sondern wird mehr und mehr zum Arno Dübel auf St. Pauli. Alle Türen sind geschlossen. Das ist nicht witzig und daher ist das Buch auch nicht witzig. Wer Comedy-Inhalte à la Jaud und Husmann erwartet, wird hier enttäuscht. Das Buch ist in meinen Augen auch weniger ein Roman, als vielmehr ein Tagebuch. Das Tagebuch eines Lebensentwurfs-Verweigerers. Fast schon eine Art Schreibtherapie. Und so wird auch das Lesen ein wenig zur Therapie. Jedes Kapitel ist eine Sitzung und am Ende legt man das Buch zur Seite und ist voll und ganz zufrieden mit dem, was man im Leben erreicht hat. Denn so wenig es auch sein mag, mehr als unser trauriger Romanheld Sonntag vorweisen kann, ist es auf alle Fälle.
Und somit hat sich die Lektüre doch voll und ganz gelohnt.
Gelesen: März 2011
Der Herr Schamoni hat mal wieder was veröffentlicht. Schön!
LikeLike
Das Buch ist schon älter. Aber trotzdem gibt es etwas Neues von ihm: http://www.amazon.de/gp/aw/d/3492056296/ref=mp_s_a_1_1?qid=1416646669&sr=8-1&pi=AC_SY200_QL40
LikeLike
Danke für die Info!
LikeLike