Doris Knecht – Gruber geht
Ja, ich weiß. Doris Knecht ist Österreicherin. Trotzdem oder gerade deswegen kam mir beim Lesen immer wieder in den Sinn: typisch deutsch!
Warum? Weil Erfolg immer verdächtig ist. Weil Arroganz bestraft gehört. Weil wir Deutschen ein Problem mit Menschen wie der Romanfigur Gruber haben. Gutaussehende Aufsteiger, die alles haben. Geld, Frauen und Stil. Und nicht zu vergessen: einen Porsche! Solche Menschen mögen wir in Deutschland nicht. Was fällt ihnen ein? Wie kommen sie dazu, uns ihre Überlegenheit so deutlich aufzuzeigen? Und damit unsere eigene Unterlegenheit. Das wollen wir doch mal sehen. Da geht bestimmt nicht alles mit rechten Dingen zu. Abwarten, wer am Ende besser da steht.
Und natürlich geht auch bei Gruber nicht alles mit rechten Dingen zu. Besonders gesundheitlich. Ha!, denkt sich der deutsche Leser! Was nutzt einem das alles, wenn man nicht gesund ist. Und man liest mit Genuss weiter. Erfährt, wie unser Sunnyboy nach und nach alles verliert. Erst die Gesundheit, dann den Erfolg im Beruf und bei den Frauen und zum Schluss mit seinen Haaren auch noch seine Prinzipien. Ja, das geschieht ihm recht. Was musste er auch so überheblich und selbstverliebt sein? Und da er am Ende so fertig ist, dass er sich sogar für Schwule und Kinder erwärmen kann, wird er einem als Romanfigur sogar ein wenig sympathisch. Nein, so geläutert darf er nicht sterben. Wir wünschen ihm alles Gute, dass er den Krebs besiegt und es mit der Sarah doch noch etwas wird. Und genauso kommt es. Happy End mit einem wieder am Boden angekommenen Aufsteiger.
Diese Geschichte ist so typisch deutsch, dass sie sich als Drehbuch für den nächsten romantischen Till-Schweiger-Film geradezu aufdrängt. Was das Buch aber für mich trotzdem lesenswert und wertvoll macht, ist der Schreibstil der Autorin. Locker und auf den Punkt formuliert. Und mit einem erkennbaren literarischen Anspruch. Hier beherrscht jemand sein Handwerk. Wenn beim nächsten mal weniger in die Klischee-Kiste gegriffen wird, darf man auf Doris Knecht weiterhin gespannt sein.
Gelesen: März 2013