Ich traf die Autorin von „Alles ist jetzt“ auf der Leipziger Buchmesse und habe ihr ein paar Fragen gestellt.
Buchrevier: Wenn Sie Ihren Roman mit einem Satz zusammenfassen müssten, könnten sie das? Worum geht es in ‚Alles ist jetzt’?
Julia Wolf: Mein Verlag hat den perfekten Satz gefunden, der es ziemlich gut trifft: In der Programmvorschau heißt es: Das Buch erzählt die Geschichte einer Frau, die sich ihren Dämonen stellt.
Buchrevier: Das erinnert mich an einen Roman, den ich erst kürzlich gelesen habe. In Simone Lapperts Buch Wurfschatten kämpft eine junge Frau gegen ihre Phobien. Geht es bei Ihrer Protagonistin Ingrid auch um Ängste und Phobien, oder was für Dämonen sind das?
Julia Wolf: Die Dämonen sind zum einen die Dämonen der Vergangenheit, resultieren aus einer traumatischen Familiengeschichte, mit viel Krankheit und Destruktion. Ingrids größter Dämon ist die Tatsache, dass sie glaubt, die Welt habe nichts mit ihr zu tun. Sie fühlt sich unsichtbar in der Welt. Das ist ihre Haltung und da wieder herauszukommen, ist der größte Dämon, dem sie begegnen muss.
Buchrevier: Wie viel hat denn die Protagonistin mit Ihnen zu tun?
Julia Wolf: Sie hat insofern etwas mit mir zu tun, als dass, was in der Geschichte verhandelt wird, mit mir zu tun hat. Aber sie ist tatsächlich eine Kunstfigur – es ist kein autobiografischer Roman. Die Schauplätze des Romans, die Städte in der Provinz, Frankfurt und Berlin sind schon Schauplätze meiner Biografie, aber das Geschehen und die Figuren sind rein fiktiv.
Buchrevier: Sie wohnen in Berlin. Wie wichtig ist diese Stadt für Ihr kreatives Schaffen?
Julia Wolf: Berlin ist insofern wichtig, als ich es dort geschafft habe, neben meiner freien Arbeit zum Broterwerb immer wieder auch Platz zu haben für das Schreiben. Und natürlich ist die Verknüpfung mit anderen Schreibenden und Institutionen, die es in Berlin gibt, sehr hilfreich und sehr wichtig für meine persönliche Entwicklung.
Buchrevier: Sie sind ja als freie Autorin auf vielen Feldern unterwegs. Gehört so ein erzählerisches Werk noch ins Autorenportfolio oder, welche Intention hatten Sie, diesen Roman zu schreiben?
Julia Wolf: Es ist nicht so, dass ich neben all den Arbeiten als freie Autorin unbedingt auch noch einen Roman schreiben wollte. Die Prosa stand am Anfang. Die anderen Projekte, wie Radiohörspiele, Theaterstücke und jetzt auch ein Filmprojekt, kamen dann noch dazu. Aber Prosa war für mich immer mein wichtigstes Anliegen, dafür schlägt mein Herz. Das ist der Kern dessen, was ich mache und was mich am meisten interessiert. Und was die Intention, so ein Buch zu schreiben anbetrifft: die Figuren sind da, die Geschichte, und dann will man selber herausfinden, was da passiert. Ich kann nicht sagen, ich habe das geschrieben, weil ich etwas ganz Bestimmtes zeigen wollte, sondern es war mehr so ein Prozess des Erkundens und Herausfindens. Das hat mir einfach Freude bereitet, auch wenn viele Leute sagen, dass es relativ finster geworden ist.
Buchrevier: „Alles ist Jetzt“ ist ja ihr Debüt. Sie haben mit der Frankfurter Verlagsanstalt einen tollen Verlag gefunden und erste positive Kritiken bekommen. Das ist ja schon ein toller Erfolg. Was würden Sie sich für dieses Buch noch wünschen? Dass es einen Literaturpreis gewinnt, verfilmt wird, vielleicht sogar ein Bestseller wird?
Julia Wolf: Ich bin mir ganz sicher, dass es kein Bestseller wird. Und das ist auch in Ordnung, weil es einfach nicht der Stoff für einen Bestseller ist. Ich würde mir aber schon wünschen, dass möglichst viele Menschen dieses Buch lesen, weil es ein langer Entstehungsprozess war und ich da auch sehr viel von mir reingesteckt habe. Wenn ein Preis helfen könnte, dass viele Leser auf dieses Buch aufmerksam werden, warum nicht?
Buchrevier: Haben Sie denn eine Botschaft, die Sie mit dem Buch vermitteln wollen? Dass man zum Beispiel als Leser durch die Lektüre bestimmte Dinge besser versteht?
Julia Wolf: Nein, überhaupt nicht. Eine Botschaft ist auch nicht das, was mich an Literatur interessiert. Ich habe keinen didaktischen oder pädagogischen Ansatz. In dem Roman wird eine Subjektivität dargestellt und ich hoffe, dass es genug Leute gibt, die das interessant finden, die vielleicht Freude an der Sprache haben und der Art, wie ich diese Geschichte erzähle und die deswegen das Buch gerne lesen. Eine Botschaft gibt es nicht.
Buchrevier: In Online-Shops bekommt man ja Bücher empfohlen. Im Stil von: Personen, denen dieser Roman gefallen hat, kauften auch dieses Buch. Wen würden Sie als Referenz nennen? Wessen Romane sollten mir gefallen, damit mir eventuell auch der Roman von Julia Wolf gefällt?
Julia Wolf: Das ist eine schwere Frage. Aber in der ersten Rezension, die zu ‚Alles ist jetzt’ erschienen ist, gab es einen Vergleich mit Marlene Streeruwitz. Das hat mich schon sehr gefreut, weil ich diese Autorin sehr bewundere.
Buchrevier: Marlene Streeruwitz ist ja als radikale Feministin bekannt. Ist Feminismus auch ein Anliegen von Ihnen?
Julia Wolf: „Alles ist jetzt“ ist sicherlich kein feministischer Empowerment-Text. Aber ich verstehe mich als Feministin und diese Haltung der Welt gegenüber fließt natürlich auch in mein Schreiben ein.
Buchrevier: Würden Sie denn dann sagen, dass jemand, der Marlene Streeruwitz Roman ‚Nachkommen’ mag, auch Julia Wolf „Alles ist Jetzt“ mögen wird?
Julia Wolf: Auch wenn das fast schon wie eine Anmaßung klingt, so etwas selber zu sagen, aber ja, das könnte ich mir schon vorstellen. Oder ich würde es mir wünschen. Eine andere Autorin, die ich mich momentan inspiriert, ist die Amerikanerin Mary Gaitskill. Auch hier würde mir sehr gefallen, wenn man mich und mein Buch in diesem Kontext sehen würde.
Buchrevier: Sind diese beiden Autorinnen auch ihre literarischen Vorbilder? Haben Sie überhaupt welche? Julia Wolf: Ja sicher, viele sogar. Aber es gibt jetzt nicht den Einen oder die Eine. Es gibt viele Aspekte und Ansätze in unterschiedlichen Büchern, die mich beeinflussen. Eine ganz große Heldin ist zum Beispiel Virginia Wolf. Wichtig für mein Schreiben sind aber zum Beispiel auch die frühen Arbeiten von Siri Hustvedt. „The Enchantment of Lily Dahl“ und „The Blindfold“ sind ja weibliche Entwicklungsgeschichten wie „Alles ist jetzt“ es auch auf eine Art und Weise ist. Diese beiden Bücher waren und sind sehr wichtig für mich. Und in diesem Zusammenhang darf natürlich Sylvia Plaths „The Bell Jar“ nicht fehlen.
Buchrevier: Wie lange haben Sie an Ihrem Roman geschrieben?
Julia Wolf: Oh das war ein sehr, sehr langer Prozess. Eine Szene dieses Buches habe ich bereits mit 16 Jahren Zuhause in meinem Elternhaus geschrieben. Mit Zwanzig hatte ich ein Stipendium und habe dann die erste Fassung des Romans geschrieben. Danach hat es acht Jahre gelegen, bis ich das Manuskript noch einmal in die Hand genommen habe. Ich habe es durchgelesen und mir gesagt: Das ist echt nicht gut, aber die Figuren mag ich. Dann habe ich noch einmal angefangen und drei bis vier Jahr intensiv daran gearbeitet. Und bis auf die eine Szene, die eigentlich seit meinem 16. Lebensjahr immer da war, habe ich alles noch einmal neu geschrieben.
Buchrevier: Geht es jetzt weiter mit dem nächsten Roman? Und wenn ja, können Sie schon verraten worum es geht?
Julia Wolf: Ja, ich bin schon mittendrin. Aber über ungelegte Eier spreche ich nicht gerne, da bin ich abergläubisch.
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