Dialogmassaker.
Wenn ein Roman-Debüt mit dem Aspekte-Literaturpreis ausgezeichnet wird, dann ist das schon was. Dann kann das Buch nicht schlecht sein, dachte ich mir so, fragte ein Leseexemplar beim Verlag an und googelte schon mal die Autorin.
Kat Kaufmann heißt eigentlich Ekaterina Kaufmann und dürfte alleine schon aufgrund ihrer Vita die Kulturbourgeoisie hierzulande in Entzücken versetzen. Die Autorin hat jüdische Wurzeln und wurde 1981 in der damaligen Sowjetunion geboren. In den Achtzigern ist sie mit ihrer Familie nach Deutschland immigriert. Und alle Studienrätinnen so: Echt? Sie spricht akzentfrei Deutsch, hat eine flotte Schreibe spielt Klavier, komponiert Musikstücke und ist auch noch Fotografin. Und alle Ärzte und Rechtsanwälte so: Toll! Und dann sieht sie auch noch blendend aus, hat ein sympathisches Lächeln und kann eloquent und gewinnend erzählen. Und ich so: Yeah!
Als das Buch dann kam, blätterte ich rein und nickte zunächst zufrieden. Aber nach der Lektüre von ca. 50 Seiten stellte ich fest, dass ich mal wieder einem literarischen Hype aufgesessen bin. Denn dieses Buch ist in meinen Augen alles andere als ausgezeichnet. Es ist aufgesetzt, wirkt irgendwie krampfhaft gewollt und hat mich am Ende nur noch genervt.
Ganz besonders nervt die Protagonistin Izy, die genau wie die Autorin eine russisch, jüdische Allround-Künstlerin ist. Eine, die natürlich in Berlin lebt, Klavier spielt, komponiert und das macht, was Künstler halt so machen. Sich reiben, sich produzieren und in Szene setzen. Und zwar nicht nur auf der Bühne, sondern überall. Schon auf den ersten Seiten war mir die Hauptfigur total unsympathisch. Unheimlich selbstverliebt stolpert Izy von einer Gesprächssituation zur nächsten. Überhaupt ist der ganze Roman ein einziges Dialogmassaker. Seitenlange, wirre Gespräche teilweise im Drogenrausch, ein nicht enden wollendes Hin und Her an „sagt er/sagt sie“, Anführungsstriche oben, Anführungsstriche unten. Man verliert irgendwann den Faden, weiß auf einmal nicht mehr, wer jetzt was gesagt hat. Aber Izy erkennt man immer wieder. Sie ist immer die Coole, die Souveräne, die Überlegene, die Checkerin.
Sprachlich war ich zunächst ganz angetan. Oder sagen wir so: auf den ersten Seiten hat mir das gefallen. Abgehackte, unvollständige Sätze, Aufzählungen, Einschübe, Szenesprech. Für einen fünfminütigen Poetry Slam genau das Richtige. Aber für einen Roman ist dieser Sprachduktus dann doch eher ermüdend und nicht zielführend. Denn eine richtige Handlung kommt dadurch nicht in Gang. Ist aber auch nicht schade drum, denn dieser Migration-Religion-Berlin-Boheme-Selbstdarstellungsplot hätte mir auch in anderer Erzählform nicht gefallen.
Alles in allem ein enttäuschendes Werk, dessen Lektüre ich niemandem ernsthaft empfehlen kann. Und die deutsche Kulturbourgeoisie so: Warum?
Und ich so: Darum.
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Verlag: Hoffmann & Campe
272 Seiten, 20,00 €
Hier bestellen bei: Buchhandel.de
Moin! das Bild ist ja fast noch geiler als dein Text. Respekt! Vor allem das sich spiegelnde Handy. In die Verlegenheit so ein Buch zu lesen wäre ich eh nicht gekommen. Nicht meine Sache, aber immer schön, wenn mal einer von seinem Thron geholt wird.
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Ich frage mich auch, warum der Roman den Aspekte-Preis erhalten hat. Ich habe nach kurzem reinlesen die Finger davon gelassen. Zu recht, stellt sich offenbar heraus.
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