Lieber Daniel,
Mensch, wie die Zeit vergeht. Schon wieder zwei Monate her seit Leipzig. Wie geht es Dir? Alles klar soweit? Ich war ja im Urlaub. War klasse. Aber jetzt hat mich der Alltag schon wieder fest im Griff. Ja, so ist das… Aber das willst du gar nicht wissen, oder?
Dachte ich mir. Ich weiß ja, dass du wartest, dass du wissen möchtest, ob es mir gefallen hat, was ich davon halte und ob ich dein Buch weiterempfehlen würde. Wahrscheinlich ahnst du schon was. Denn seit ich dir vor ein paar Wochen mitgeteilt habe, dass ich jetzt mit der Lektüre beginne, kommt von mir nichts mehr. Kein begeisterter Post, keine Nachfrage, keine Mail mit der Mitteilung, dass mir etwas dazwischen gekommen ist und erst recht keine Besprechung. Andere Bücher werden hier besprochen, es wird empfohlen und abgeraten, aber deins ist nicht dabei. Still ruht der See.
Wenn es nicht dein Debüt wäre und du schon ganz viele positive Besprechungen hättest, wenn ich dich nicht kennen und vor allem auch noch sympathisch finden würde – dann, ja dann hätte ich kein Problem damit. Ich würde einfach sagen, dass mir dein Roman nicht gefallen hat. So wie ich das immer mache, nicht um den heißen Brei herum, nicht schön geredet, sondern klare Kante. Ich würde das überall einstellen und verlinken und auf möglichst viele Klicks hoffen. Ist doch gar nicht schlimm, sondern nur eine Meinung von vielen. Die wenigsten Autoren, deren Roman ich bisher verrissen habe, hat das groß interessiert. Ich glaube, die haben das noch nicht mal mitbekommen. Die hatten eine Empfehlung von Jonathan Franzen auf dem Backcover, waren auf der Shortlist des Buchpreises oder hatten sogar den Aspekte-Literaturpreis gewonnen. Wen interessiert da noch eine einzelne negative Bloggermeinung?
Aber du würdest das natürlich mitbekommen. Weil da noch kaum eine andere Meinung ist. Dann stünde das nicht nur hier auf dem Blog, sondern auch auf den ersten Seiten bei Google und damit auch zwischen uns. Du glaubst gar nicht, wie mich das beschäftigt. Seit Wochen überlege ich, was ich tun soll. Einfach gar nichts schreiben? Ja klar, das wäre der einfachste Weg. Eine kurze, erklärende Mail an dich und den Verlag und dann wäre die Sache gegessen. Doch irgendwann stand für mich fest, dass ich nicht einfach den Schwanz einziehe. Literatur ist nicht immer einfach, lebt vom Austausch und Diskurs. Und dein Roman ist zweifelsohne Literatur. Ein Text mit Anspruch, gefühlvoll komponierte Sätze, interessante Charaktere, ein abwechslungsreiches Setting und ein außergewöhnlicher Plot. Dazu ein interessanter Titel, ein cooles Cover, ein cooler Verlag und du als Autor – eloquent, gebildet und mit interessanter Vita.
Das alles ließ mich hoffnungsvoll starten. Doch schon bald fing ich an zu straucheln, habe mich in den verschiedenen Handlungssträngen, Zeitschienen, Settings verfangen und bin mit der Zuordnung der Protagonisten einfach nicht mehr klargekommen. Ich habe mich förmlich in deinem Roman verirrt, nicht nur einmal, sondern auf jeder Seite gleich mehrmals.
Sprachlich ist alles top, wirklich tolle Sätze hast du da geschaffen. Ich habe sofort gemerkt, dass da jemand schreiben kann. Und dann macht es nicht nur Spaß, sich die Sätze laut vorzulesen, es hilft mir auch dabei, mich besser zu konzentrieren. Aber all das hat diesmal nichts genutzt. Immer wenn ich glaubte, irgendetwas verstanden zu haben, zu wissen, um wen es hier auf der Seite jetzt geht, gab es einen Cut und eine neue Person betrat die Bühne. Und sie hieß nicht nur so ähnlich wie ein Charakter, der ein paar Seiten zuvor plötzlich auf- und wieder abgetaucht ist, nein sie ist auch noch mit dieser Person verwandt, ein Vorfahre, Nachkomme, Mann, Frau, Sohn oder Tochter. Weiß der Henker.
Ganz ehrlich, Daniel, was soll das? Man kann in ein Buch von zweihundert Seiten nicht ohne Unterlass Charaktere reinstopfen, sie ein paar Sätze lang aufbauen und dann wieder verschwinden lassen. Ich mag so etwas ja gar nicht. Dabei hätte ich vorgewarnt sein können. Auf dem Backcover steht etwas von losen Fäden und einem transkulturellen Klangteppich, vom Vergangenen, das drastisch in der Gegenwart aufschlägt. Wer soll das lesen? Doch ich bin sicher, es werden sich Fans finden. Welche, die sich besser konzentrieren können und kein Problem mit losen Fäden und Klangteppichen haben.
Ich habe wahrlich keinen Spaß daran, dir so etwas zu schreiben. Gerne hätte ich das genaue Gegenteil behauptet und noch lieber hätte ich ein Buch von dir gelesen, das mir gefällt. Besonders ärgerlich ist, dass du das sicherlich auch schreiben könntest. Denn das Talent ist da, nur verfolgst du damit irgendwie andere Ziele.
Wie auch immer. Vielleicht hätte ich einfach meine Klappe halten sollen. Vielleicht sollte ich mich auch gar nicht mit Autoren unterhalten, deren Buch ich noch besprechen will. Oder umgekehrt. Vielleicht musste ich aber früher oder später mit dem Blog genau an so einen Punkt mal ankommen. Wo ich mich entscheiden muss, was ich überhaupt will, worum es mir geht und ob ich bereit bin, dazu zu stehen. Und wenn ich auch dein Buch nicht verstanden habe, das habe ich kapiert. Ehrlich sein, Eier in der Hose haben und zu seiner Meinung stehen – das ist mir wichtig im Leben und genauso wichtig für den Blog.
Manchmal muss man für banale Erkenntnisse erst komplizierte Bücher lesen.
Und dafür dankt dir der Blogger aus dem Buchrevier
Welches Buch?
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Um welches Buch und um welchen Autor geht es?
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Da der Autor und auch der Verlag sich auf Facebook schon zu erkennen gegeben haben, kann ich das hier jetzt auch tun. Es handelt sich um das Debüt von Daniel Breuer, nathanroad.rec.
http://www.duotincta.de/de/verlag-duotincta/daniel-breuer/nathanroad-rec.html
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Interessant und mir völlig unbekannt und warum das Geheimnis?
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