Julian Maclaren-Ross – Von Liebe und Hunger.
Von diesem Autor habe ich noch nie etwas gehört – genauso wenig wie vom Arco-Verlag aus Wuppertal. Trotzdem wollte ich den dort erschienenen Roman auf der Stelle und unbedingt lesen. Schuld daran war eine Buchkritik von Edelgard Abenstein (auch noch nie gehört) auf Deutschlandradio Kultur. Das wäre ein Buch für alle, die Dashiell Hammett, Raymond Chandler und auch Ernest Hemingway mögen, hieß es da. Diese Namen dagegen kenne ich nur zu gut. Das sind die Helden meiner jungen Lesejahre, mit diesen Autoren bin ich erwachsen geworden, sie haben mein Männerbild geprägt. Einmal so cool und lässig sein wie Philip Marlowe oder so schlicht, trocken und intensiv schreiben können wie Hemingway. Das war der Plan, damals als ich zwanzig war.
Aber wie das nun mal so ist; Ziele und Pläne ändern sich oder geraten in Vergessenheit. Genauso wie auch Julian Maclaren-Ross. Der 1964 verstorbene Schriftsteller war eine schillernde Figur in den Nachkriegsjahren in Großbritannien, bekannt für ein paar Kurzgeschichten aber vor allem auch für seine Erscheinung und seinen Lebensstil. Ein stets in Anzug, Krawatte und dunkler Sonnenbrille gekleideter Dandy-Säufer, der den Vorschuss auf seine Geschichten in den Londoner Kneipen durchbrachte. Er hat genau diesen einen, 1947 erschienenen Roman geschrieben und war damit für kurze Zeit ein Star. Hier in Deutschland kannte man ihn nicht. Erst jetzt, 52 Jahre nach seinem Tod, hat der kleine, ambitionierte Arco-Verlag diesen Autor wiederentdeckt und sein Romandebüt in der Übersetzung von Joachim Kalka dem deutschen Publikum zugänglich gemacht. Diese Wiederentdeckung allein ist schon eine tolle Story. Die teilweise autobiografische Geschichte über den erfolglosen Staubsauger-Vertreter Richard Fanshawe ist es aber auch.
Der Vergleich zu den Harboiled-Genre Autoren Hammett und Chandler ist durchaus zutreffend. Auch der Romanheld in „Von Liebe und Hunger“ ist so ein hartgesottener, kettenrauchender Zyniker wie Marlowe und Konsorten. Sprachlich erinnert mich dieser Roman schon sehr an die genannten Vorbilder. In kurzen knappen Sätzen werden wir vom Ich-Erzähler in das Roman-Setting eingeführt. Keine Ausschmückungen, nichts wird verschachtelt, alles ist klar skizziert und auf den Punkt gebracht.
Man ist sofort drin, kann sich den kleinen englischen Badeort im Jahre 1939 gut vorstellen, sieht vor dem inneren Auge die Staubsaugervertreter von Haustür zu Haustür ziehen, klingeln, Teppiche reinigen, Verkaufsgespräche führen. Später sitzen die Männer in den Kneipen, tauschen sich über ihre Erfolge und Misserfolge aus und überlegen, ob sie nicht einfach die Branche wechseln und lieber Bürsten verkaufen sollten. Aber so oder so – es ist immer nur ein Hungerlohn; einen echten Ausweg gibt es nicht und der Krieg steht praktisch schon vor der Tür. Auch die Liebe, die einzige Abwechslung in dem tristen Vorkriegsalltag, gestaltet sich für den Romanhelden schwierig und endet in einem Desaster.
Von Liebe und Hunger – der Titel dieses Romans ist Programm. Genau darum geht es. Und hier unterscheidet sich Maclaren-Ross von Hammett und Chandler, die ja in erster Linie Krimiautoren waren. Es passiert kein Verbrechen, das es aufzuklären gilt. In dieser Geschichte geht es nur um den schnöden Alltag in einer wirtschaftlich und politisch schwierigen Zeit, um enttäuschte Hoffnungen, um verschmähte Liebe und den geheimen Traum des Protagonisten, irgendwann einmal Schriftsteller zu werden. Das sind auch heute noch typische Themen der Gegenwartsliteratur und zusammen mit der schnörkellosen, einfachen Sprache erscheint dieser Roman beinahe zeitlos.
Alles in allem ist dies eine wunderbare literarische Wiederentdeckung, ein tolles Lesevergnügen und eine besondere Empfehlung für die letzten lesenden Männer. Dieser Roman ist ehrlich und authentisch, klar auf den Punkt und dabei lässig und entspannt – so wie Männer insgeheim alle gerne wären, wenn ihnen da nicht immer irgendetwas dazwischen kommen würde: Frauen, Kriege oder einfach nur die eigenen Unzulänglichkeiten. Maclaren-Ross ist der Alkohol und dann schließlich mit 52 Jahren ein Herzinfarkt dazwischen gekommen. Zu jung zum Sterben und zu alt, um unsterblich zu werden.
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Foto: Gabriele Luger
Verlag: Arco-Verlag
Übersetzung: Joachim Kalka
260 Seiten, 24,00 €
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