Kennst du die Känguru-Chroniken?
Nee, kenne ich nicht.
Echt nicht? Die kennt doch jeder.
Kann sein, ich aber nicht.
Da hast du aber was verpasst, ist echt lustig.
Ach ja? Ich steh eigentlich nicht so auf lustig.
Kennst du dann überhaupt Marc-Uwe Kling?
Nein, nie gehört.
Aber sein neues Buch willst du trotzdem lesen?
Ja, möchte ich.
Warum?
Es soll ganz lustig sein.
Dieses Gespräch hat nie stattgefunden. Die Wahrscheinlichkeit aber, dass es ungefähr so abgelaufen wäre, ist sehr hoch. Wer meine Blogbeiträge, meine Likes und Dislikes der letzten Monate, den Anteil humoriger Werke unter den positiven Besprechungen in Relation zu meinen Grundüberzeugungen und meiner Wankelmütigkeit setzt – sprich, all das machen würde, was Google, WordPress, Facebook, Twitter & Co. mit meinen freiwillig zur Verfügung gestellten persönlichen Daten jetzt schon machen kann – wer also so viel Rechenleistung hat, wird sich über dieses fiktive Gespräch zu Quality Land genauso wenig wundern, wie über das, was ich im Folgenden dazu noch schreiben werde.
Die Algorithmen wissen Bescheid. Heute schon und in Marc-Uwe Klings Zukunftsvision erst recht. Seine satirische Dystopie führt vor Augen, wie es mit hoher Wahrscheinlichkeit wäre, wenn sich die Digitalisierung unserer Gesellschaft in den nächsten Jahren genauso schnell weiter entwickeln würde wie bisher. Aus Parship ist Quality Partner geworden, Amazon heißt TheShop,Deutschland hat umfirmiert und nennt sich jetzt Quality Land. Menschen und Maschinen leben in friedlicher Koexistenz, Autos fahren alleine in der Stadt herum, jeder hat einen kleinen Mann im Ohr und alle finden das ziemlich OK.
Diese Welt hat sich der Autor sehr schön ausgedacht. Ein wunderbares Zukunftsszenario, welches natürlich reichlich übertrieben anmutet, aber trotzdem sehr stimmig und nachvollziehbar aufgebaut ist. Marc Uwe Kling beschreibt den Alltag des Maschinenverschrotters Peter Arbeitsloser. Seinen Nachnamen verdankt er, wie alle in Quality Land Geborenen, der beruflichen Tätigkeit von Vater oder Mutter zum Zeitpunkt der Geburt. So gibt es einen David Fitnesstrainer, eine Melissa Sexarbeiterin, einen Hendrik Vorstand – lustige Vorstellung. Überhaupt ist ziemlich viel in diesem Buch recht witzig; insofern stimmt schon mal meine im obigen Gespräch geäußerte Vermutung. Ich habe am Anfang oft geschmunzelt und mir gedacht: Ja, so könnte es irgendwann tatsächlich mal aussehen, unser Leben in einem fiktiven Jahr 2Q84.
Das Vergnügen an dieser gut gemachten Zukunftssatire hielt aber nur so lange, bis eines Tages eine Drohne von TheShop an der Tür von Peter Arbeitsloser klingelte und ihm ein Paket mit einem rosafarbenen Vibrator in Delfinform überreichte. Eine Bestellung, die von TheShop auf Basis von Peters Wünschen, wozu selbstverständlich auch die geheimen Wünsche zählen, automatisch ausgelöst wurde. Aber Peter ist sich sicher: Niemals hat er sich einen rosafarbenen Delfinvibrator gewünscht, auch nicht unbewusst. Er versucht, die Lieferung zu reklamieren – aber das ist nicht möglich. Da beginnt Peter Arbeitsloser zu revoltieren und die Geschichte mich zu nerven.
Der pinke Delfinvibrator ist augenscheinlich ein Fehler in der Datenmatrix. Zusammen mit ein paar schrottreifen Maschinen, wie einer Drohne mit Flugangst (*lol*) und einem Kampfroboter mit posttraumatischen Belastungsstörung (*kicher*) kämpft Peter für die Korrektur der ihn betreffenden Algorithmen. Wie er da mit seinen Roboter-Freunden von einem Abenteuer zum nächsten zieht, erinnert mich das stellenweise an den Kinderfernseh-Klassiker ‚Robbi-Tobbi und das Fliewatüüt‘, oder neuzeitlicher: eine Szene aus Toy-Story 3. Das ist nicht mehr originell und witzig, das ist zum größten Teil albern. Und plötzlich ist alles dahin, das anfängliche Lesevergnügen vorbei. Die Sache mit dem falsch gelieferten Delfinvibrator ist genau das eine Ding zu viel. Die eine Metapher, wodurch eine gut gemachte Zukunftssatire plötzlich zu einem infantilen Klamaukstück wird.
Kommen wir nochmal zurück zum fiktiven Gespräch vom Anfang:
Ich hätte dir das ja gleich sagen können.
Ach ja? Und warum?
Weil Kunden, die die Känguru-Chroniken nicht kennen und Quality Land trotzdem gelesen haben, es überwiegend negativ bewerten.
Sagt wer?
Sagt die Statistik.
Und wie viele Kunden sind das genau?
Im Moment genau einer.
Lass mich raten – ich?
Genau.
_____________
Foto: Gabriele Luger
Verlag: Ullstein
384 Seiten, 18,00 €
Ich widerspreche!
Ich habe die Känguru-Chroniken bisher nicht gelesen und war trotzdem begeistert von QualityLand.
Und bin auch sehr begeistert von diesem Beitrag. 😉
LikeGefällt 2 Personen
Ich lese es nicht, sondern bin gerade dabei, Quality Land als Hörbuch zu hören. Es ist auf jeden Fall kurzweilig und auf jeden Fall bin ich froh, dass das aufmüpfige Känguru in abgespeckter Form (kann man sowas über ein Tier das zum Handy mutiert sagen?) auftaucht. Auch Kleinkünstler haben nicht ständig ihre Sternstunden und MUK lästert selbst in den Chroniken über serielle Bücher und filmische Oktologien. Kann es denn immer so lustig weitergehen und weitergehen und…Ich werde es ja hören.
LikeGefällt 2 Personen
Stimme Deiner Rezension absolut zu, fand es zum Teil infantil und nicht witzig sondern eher langweilig. Das Thema an sich ist gut, reicht aber nicht für einen Roman.
LikeLike