Melissa Broder – Fische

Literarisch bin ich eigentlich sehr aufgeschlossen. Solange mich ein Buch nicht langweilt, lautet die Devise: anything goes. Doch es gibt so ein paar Dinge, die gehen gar nicht. Wie zum Beispiel sprechende Tiere, Feen, Einhörner, Zauberer und Meerjungfrauen. Da kenne ich kein Pardon. Wenn eines der oben genannten Wesen in einem Roman auftaucht, dann ist sofort Schluss, dann klappe ich das Buch zu, stelle es aber nicht ins Regal, sondern bringe es weit weg zu einem öffentlichen Bücherschrank, auf dass sich irgendein ein Fantasy-Freak seiner erbarmt.

Bis dato habe ich noch nicht einmal geahnt, dass es zu Meerjungfrauen auch ein männliches Pendant gibt: Meermänner. Kein Witz. Das muss man sich vorstellen wie eine konventionelle Meerjungfrau vom Typ Arielle, also obenrum Mensch und untenrum Fisch, nur eben obenrum ohne Brüste, aber dafür unten rum mit Schwanz. Genaugenommen sogar zwei Schwänze. Der vom Fisch und der vom Mann. Genug davon. Ich denke, das kann sich jetzt jeder vorstellen.

Was muss passieren, damit ich einen Roman, in dem so ein merkwürdiges Fabelwesen auftaucht, nicht sofort augenrollend zur Seite lege, sondern mit großen Vergnügen und wachsender Begeisterung in einem Rutsch durchlese? Es muss vielleicht einfach nur gut geschrieben, stimmig hergeleitet und mit einem entwaffnend, augenzwinkernden Humor ausgestattet sein. So wie der Debütroman von Melissa Broder, Twitter-Star und Kolumnistin aus den USA, die mit Ihrem Profil ‚So Sad Today‘ (nie gehört) eine halbe Millionen Follower hat. Jetzt schreiben diese Influencer also auch schon Romane. Noch so ein Ding, was eigentlich gar nicht geht. Das kann, das will, das darf ich unter gar keinen Umständen auch noch gut finden.

Aber so sehr ich dieses Buch eigentlich in die Tonne kloppen möchte, so sehr bin ich davon auch begeistert. Das liegt zum einen daran, wie gekonnt die Geschichte aufgebaut ist, wie humorvoll und authentisch die Autorin den Faden spinnt. Zum anderen aber auch an der Protagonistin Lucy, die einfach eine so schonungslos offene und grundsympathische Person ist, der ich irgendwie alles abnehme und verzeihe. Sogar die leidenschaftliche Affäre mit dem Meermann Theo, der sie so kunstfertig und ausdauernd leckt und anschließend penetriert, wie kein normaler Mann – also einer mit nur einem Schwanz – es jemals vorher vermocht hat. Kein Wunder also, dass Lucy alles um sich herum vergisst und sich mit Haut und Haaren in diese Amour Fou fallen lässt.

Und so habe ich beim Lesen dieses Romans, den ich vom Cover, über Plot, Klappentext und Autorinnenvita als 1a-Frauenroman eingestuft habe, mal wieder etwas über mich gelernt. Dass ich entweder auch ganz viel weibliche Anteile in mir trage und ein verkappter Romantiker bin – oder aber, dass es so etwas wie den klassischen Frauenroman tatsächlich überhaupt nicht gibt. Sondern einfach nur gute oder schlechte Literatur.

____________

Foto: Gabriele Luger

Verlag: Ullstein
352 Seiten, 21,00 Euro
Aus dem Amerikanischen übersetzt von Eva Bonné.

5 Kommentare

  1. Tja, also ich weiß nicht so recht. Klingt irgendwie trotzdem nach einem bescheuerten Buch. Aber vielleicht würde ich es ja ähnlich sehen wie Du, wenn ich es lesen würde. Werde ich allerdings nicht tun…

    Like

  2. Und dann noch von Ullstein-Verlag und schon im Spiegel bejubelt. Kann ja eigentlich nichts sein. Aber es ist immer gut, wenn die eigene Vorurteile nicht bestätigt werden. Dann gibt es noch Hoffnung für die Literatur und die Welt. Danke für die Rezension!

    Like

  3. Mir hat der Roman auch unglaublich viel Spaß gemacht. Ich hatte schon zuvor die Essay-Sammlung von Melissa Broder gelesen, daher wusste ich ein wenig worauf ich mich einlasse. Aber Fische hat mich wirklich richtig toll unterhalten!

    Like

Hinterlasse einen Kommentar