Paolo Cognetti – Acht Berge

Sind das erste Anzeichen einer Altersdemenz? Wie sonst ließe sich erklären, dass ich mir diesen Namen nicht merken kann: Paolo Cognetti – so schwer ist der doch gar nicht. Aber frag mich mal in fünf Minuten. Egal – die beste Therapie gegen das Vergessen ist, einen Blogbeitrag über diesen Autor zu schreiben, von dem ich in den letzten Tagen gleich zwei Romane gelesen habe. Und zwar zunächst seinen Debütroman „Sophia trägt immer schwarz“ aus dem Jahr 2012, der jetzt mit einiger Verspätung in deutscher Übersetzung bei Penguin erschienen ist, und dann den vor zwei Jahren erschienenen und deutlich stärkeren Nachfolger „Acht Berge“, der mittlerweile als internationaler Bestseller geführt wird.

Und wenn ich schon den Stapel mit den durchaus attraktiven Neuerscheinungen links liegen lasse, um einen Titel aus 2016 zu lesen – was im kurzlebigen Buchmarkt gefühlt so weit zurückliegt, wie der Fall der Mauer – dann muss ich von diesem Autor schon ziemlich begeistert sein. Und in der Tat, dieser junge literarische Shootingstar aus Italien kann nicht nur beklemmende Settings erschaffen, beeindruckende Charaktere mit wenigen Sätzen formen und eine geradezu kontemplative Lesestimmung erzeugen – er sieht zu allem Überfluss auch noch genauso aus, wie man sich solch eine Person vorstellt.

Ja, ich kann es einfach nicht lassen und schaue mir nach wie vor gerne die Autorenfotos im Klapper an. Und bei Paolo Cognetti blickt man dabei in ein Gesicht, dem man ansieht, dass er all das, was er in seinen Romanen beschreibt, selber schon durchlitten hat. Auch der Umstand, dass er regelmäßig den Sommer in einer Berghütte auf zweitausend Metern Höhe verbringt, so wie auch die beiden Protagonisten aus „Acht Berge“ es tun, passt und ergibt ein stimmiges Buch/Autor-Gesamtpaket.

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Auf dem Backcover steht, Cognetti wäre die männliche Antwort auf Elena Ferrante. Ich würde ihn eher als den italienischen Robert Seethaler bezeichnen. Aber bleiben wir bei dem Ferrante-Vergleich. Beide stammen aus Italien, das stimmt. Aber was Ferrante nur auf der Langstrecke gelingt, schafft Cognetti in aller Kürze. Gerade mal 250 Seiten braucht er für seine eindringlichen Familiengeschichten und bietet dabei alles, was das Leserherz begehrt. Charaktere mit Identifikationspotenzial, kaputte Lebensentwürfe oder auch glanzvolle Karrieren, Liebe, Leid und Rebellion. Und in „Acht Berge“ noch eine extra Portion Natur und Ursprünglichkeit.

Es sind schon die klassischen und in der Literatur scheinbar ewig aktuellen Themen, die Cognetti bedient. Die Frage, welcher Weg der richtige ist, die emotionalen Päckchen, die jeder so mit sich herumschleppt, die Familie als Segen oder Fluch. Altbekannt und trotzdem top aktuell. Nach meinem Empfinden behandelt momentan jeder zweite in diesem Jahr veröffentliche Roman genau diese Themen. Mal spielen die Geschichten in Deutschland oder Österreich, im Kaukasus, den USA, Japan oder eben Italien. Es sind immer und überall die gleichen Fragen, die uns Menschen bewegen und auf die wir in Büchern nach Antworten suchen.

Eine Antwort könnte lauten, dass es keine Antwort gibt. Dass Leben nun mal so ist – so tragisch, so fragil, so unabwendbar. Aber wer Cognetti liest, findet noch weitere Antworten. Dass Leben zwar hart und brutal sein kann, aber auch voll ursprünglicher und trostspendender Schönheit. Und die findet man in der Natur, ganz weit oben in den Bergen, wo all das, was uns groß und wichtig erscheint, zu dem wird, was es ist. Nichtig und klein.

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Foto: Gabriele Luger

Acht Berge (2016)
Aus dem Italienischen von Christiane Burkhardt
Verlag: DVA
256 Seiten, 20,00 €

Sophia trägt immer schwarz (2012)
Aus dem Italienischen von Christiane Burkhardt
Verlag: Penguin Hardcover
240 Seiten, 18,00 €

Auch interessant und lesenswert: ein Interview mit Paolo Cognetti zu „Acht Berge“

4 Kommentare

  1. Schön zu lesen, macht neugierig. Ich kauf mir nur noch selten Bücher, folge nur noch spontanen Impulsen. Das hier könnte so einer sein.

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