Ach, wie sehr habe ich dieses Buch gemocht und scheinbar auch gebraucht. Schon seit Wochen tue ich mich schwer mit dem Lesen, fange immer wieder neue Titel an und lege sie nach wenigen Seiten wieder weg. Momentan sind es bis zu vier Bücher, die ich parallel lese. Die alle nicht so gut sind, dass sie mich begeistern oder gar fesseln können, aber auch nicht so schlecht, dass ich sie einfach weglege. Doch das neue Buch des Unternehmers und Sachbuchautors Rafael Horzon ist anders. Erstmals habe ich mal wieder mit Genuss und Freude mehrere Stunden am Stück gelesen. Samstag gekauft, Sonntag Abend schon ausgelesen und mit einem Gefühl großer Zufriedenheit ins Regal gestellt.
Es ist wahrlich keine schwere Lektüre, hat aber trotzdem Tiefgang und hält, was der Aufkleber auf dem Cover verspricht: Es ist das Buch des Monats und es ist neu. Etwas, was man beileibe nicht von jedem in diesem Herbst erschienenen Buchtitel behaupten kann. Schaut man sich die zahlreichen Neuerscheinungen im Buchhandel genauer an, stellt man schnell fest, dass kein einziges davon als „Buch des Monats“ oder gar als „Das neue Buch“ geführt wird. Wer also in diesen Tagen nicht irgendein Buch lesen will, sondern das ultimative November-Buch und noch dazu Wert darauf legt, dass es auch wirklich neu ist, kommt an diesem Titel also nicht vorbei.
Dabei weiß das neue Buch gleich auf mehreren Ebenen zu glänzen. Schon im Handel lockt es, augenscheinlich schlicht und einfarbig gehalten, je nach Ausleuchtung des Verkaufsraums den Sachbuch interessierten Leser in den schillerndsten Farben. Ein Eindruck, der sich weiter fortsetzt, wird die Schutzfolie im heimischen Lesezimmer entfernt. Wenn sich das Licht der Leselampe in den unzähligen Fingerabdrücken auf dem Cover bricht und in den Lochungen des Titels verliert, ist dies nicht nur ein interessanter optischer Effekt, sondern korrespondiert auch perfekt mit den inhaltlichen Glanzpunkten dieses epochalen Sachbuchklassikers.
Horzon gelingt es auf trefflichste Weise, die Diskrepanz zwischen dem eigenen Anspruch und der gesellschaftlichen Erwartungshaltung am Beispiel eines modernen Möbelunternehmers zu umreißen. Was gefällt und ist erfolgreich? Was ist Kunst und was Deko? Und vor allem: Was muss man tun, um für ein Buch den Nobelpreis zu bekommen? Fragen, die klassischerweise von Schriftstellern in herkömmlichen Romanen erörtert werden. Aber das ist nicht Horzons Anspruch. Fakten statt Fiktion, lautet sein Credo, und so nähert sich der routinierte Sachbuchautor diesen Themen auf eine wohltuend neutrale und faktenorientierte Weise.
Nichts wird hinzu erfunden, alle auftretenden Personen sind echt und googelbar. Noch dazu kann der wissbegierige Leser seine beim Lesen erworbenen Kenntnisse anhand zweier illustrierter Kapitel mit zahlreichen Dokumentationsfotografien überprüfen und weiter vertiefen. Alles in allem ein wertvolles Sachbuch und ein Must-Read für angehende Möbelunternehmer, Nobelpreisträger und natürlich alle Rafael Horzon-Fans.
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Foto: Gabriele Luger
Verlag: Suhrkamp Nova
303 Seiten (Broschiert), 20,00 €