Der beste Roman aus dem Jahr 2014 jetzt auch als Taschenbuch.
Ich habe ein wenig schlechte Laune und das passt mir gerade gar nicht. Denn ich will loben, preisen und aufs Wärmste empfehlen. Und zwar ein Buch, das mich drei Wochen durch trübe November-Tage begleitet hat. Ein Buch, das mich nicht eine Sekunde gelangweilt hat, auf das ich mich jeden Abend gefreut habe. Ein Buch, das jetzt ausgelesen im Regal steht und dessen breiten Rücken ich mit Stolz, Hochachtung und Wehmut betrachte. Stolz, dass ich es gefunden, gelesen und genossen habe. Hochachtung vor der Leistung der Autorin und Wehmut, weil dieser Literaturgenuss jetzt vorbei ist. Ich habe mich an diese wunderbaren Leseabende mit Stasia, Christine, Kitty, Elene und Niza gewöhnt. Darauf jetzt verzichten zu müssen, macht mir irgendwie schlechte Laune.
Ich glaube jeder, der ein wenig Sinn für gute Geschichten und eine gute Schreibe hat, wird merken, was er hier in den Händen hält. Nicht irgendeinen Schmöker, keine x-beliebige Familiensaga, kein Buch für eine Saison. Nein, was Nino Haratischwili hier abgeliefert hat, wird bleiben und die Zeit überdauern. Ich scheue mich ein wenig vor dem großen Wort, frage mich, ob das, was mir auf der Zunge liegt, nicht zu hochgegriffen ist. Ob ich das überhaupt beurteilen kann. Aber warum eigentlich nicht? Ich habe schon viel gelesen, darunter auch vergleichbar dicke Familien-Epen wie Tolstois „Krieg & Frieden“, die Buddenbrooks oder Jonathan Franzens „Korrekturen“. Und genau in diese Reihe möchte ich auch „Das achte Leben“ stellen. In meinen Augen ist dieser Roman Weltliteratur, nicht mehr und nicht weniger.

1,2 kg Weltliteratur.
Bemerkenswert finde ich die Identifikation der Autorin mit der zu erzählenden Geschichte. Sie erzählt und beschreibt jede einzelne Begebenheit aus knapp 100 Jahren georgisch/sowjetischer Geschichte so, als hätte sie das alles selber erlebt. Sie ist zu 150% drin in der Handlung. Sie ist fasziniert, schockiert, begeistert und traurig. Und all das gibt sie an ihre Leser weiter. Zu keiner Zeit hatte ich das Gefühl, da will mir einer was erzählen, Seiten schinden und nur ein dickes, bedeutendes Buch schreiben. Nein, ich kaufe ihr jede einzelne Zeile aus diesem Mammutwerk ab. Ich glaube ihr jedes Wort. Ich habe das Gefühl, sie musste das erzählen. Wäre sonst an den recherchierten Geschichten erstickt. Schreiben als Therapie. Es musste raus, musste erzählt werden, damit endlich Ruhe ist.
Die Autorin bei der Lesung in Krefeld. Etwas ungünstig platziert.
Das Gefühl bekommt man auch, wenn man die Autorin live erlebt. Ich habe sie bei einer Lesung gesehen, und sie sprudelte nur so vor Begeisterung für ihr Thema. Und während Sie so frei erzählte, erkannte ich in ihrer Sprechsprache den gleichen einfachen, klaren aber doch so speziellen Satzbau, der auch ihr Schreiben auszeichnet. Das ist 100% Authentizität.
Solche Schriftstellerinnen begeistern mich. So muss Literatur sein. Einfach perfekt!
Gelesen: November 2014
Ich möchte Dir unbedingt „Mein sanfter Zwilling“ von ihr zu lesen ans Herz legen.
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Kenn ich. Habe ich auch gelesen und für gut befunden.
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