Stephan Lohse – Ein fauler Gott

 

Was versprechen sich Menschen eigentlich davon, ein Buch zu schreiben? Ich mein, da steckt ja richtig viel Arbeit drin. Ganz besonders, wenn man das noch neben dem eigentlichen Beruf machen will. Abends, am Wochenende, im Urlaub – immer einsam und allein auf den Laptop einhackend, statt gemütlich in geselliger Runde zu entspannen. Stephan Lohse ist Schauspieler. Ich würde sagen, gar nicht mal so unerfolgreich. Es kommt mir vor, als hätte ich das Gesicht schon mal irgendwo im Fernsehen gesehen. Jetzt ist er 53 und hat seinen ersten Roman geschrieben. Und ich frage mich: Warum?

Wenn man wirklich etwas zu erzählen hat – irgendetwas Originelles, bisher noch nicht Dagewesenes, meinetwegen auch Witziges – wenn man seit Jahren schon mit der ultimativen Idee für einen Roman schwanger geht oder aber wirklich gut schreiben kann, einen eigenen, ganz besonderen Erzählstil hat, dann, ja dann kann ich verstehen, dass man unbedingt einen Roman schreiben will. Weshalb Stephan Lohse das getan hat, verstehe ich nicht.

Damit will ich nicht sagen, dass dieser Roman jetzt grottenschlecht ist, die Geschichte überhaupt nicht erzählenswert und sprachlich komplett daneben. Aber leider ist „Der faule Gott“ auch nicht richtig gut oder besonders bemerkenswert. Eben nur ganz ok; literarische Durchschnittsware, kann man lesen, muss man aber nicht. Manchmal klappt das ja, dass einer aus dem angrenzenden Kulturbetrieb, Schauspiel oder Musik, einen literarischen Erfolg landet. Joachim Meyerhoff oder Thees Uhlmann ist dies gelungen. Vielen anderen aber nicht. Und ich schätze, Stephan Lohse gehört zu der zweiten Gruppe.

Meinetwegen soll es jeder mal als Romanautor versuchen. Und vielleicht kommt ja noch ein Maxim Biller vorbei und behauptet wieder im Fernsehen, sein ganzes Leben auf ein Buch wie dieses gewartet zu haben. Möglich ist alles. In Stephan Lohses Vita steht jedenfalls jetzt: „Schauspieler und Schriftsteller“. Dafür hat sich der ganze Schreibaufwand schon wieder gelohnt. So ein Allround-Künstler lässt sich immer gut vermarkten. Mich ärgert aber, dass solche Kulturbetriebs-Typen mit ihren literarischen Ego- und Selbstverwirklichungs-Projekten den wirklich talentierten Autoren die Programmplätze wegnehmen.

Das große Potenzial dieser Kindheits-Retrospektiven ist ja, dass die jeweils angesprochene Generation in gemeinsamen Erinnerungen schwelgen kann. Die 70er-Jahre-Motto-Party als Buch. Rudi Carrell und Hans Joachim Kulenkampff, Franz Beckenbauer und Gerd Müller. Das Bonanza-Rad, Status Quo und Mal Sondocks Hitparade. Ich bin genau diese Generation, gerade mal ein Jahr jünger als der Autor und prinzipiell sehr empfänglich für solche Throwback-Momente. Ich hatte mich sogar sehr darauf gefreut, beim Lesen mal wieder in Erinnerungen zu schwelgen: in dieser alten, nur in der Erinnerung unbeschwerten Zeit; vor dem ersten Computer und dem Internet.

Lohse baut genau auf diesen Effekt, integriert all die kohärenzstiftenden Dinge, die jedes Kind der Siebziger nie vergessen wird. Clementine und ihr Ariel (wäscht nicht nur sauber, sondern rein), Olympia 1972 zum ersten Mal im Farbfernsehen, die Familie Leroc aus dem Französisch-Buch, der Opel-Rekord und die drei 3-Gang-Sachs-Schaltung. Natürlich kenne ich das alles noch und denke gerne dran zurück. Aber im Rahmen dieses Romans hat es mich einfach nur gelangweilt. Zu vorhersehbar, zu konstruiert, nicht schlüssig, nicht stimmig, nicht gut.

Und dann die eigentliche Handlung – der achtjährige Jonas stirbt plötzlich und lässt Mutter und Bruder in Trauer zurück. Na klar ist das ein Trauma, na klar kann man darüber ein Buch schreiben und erzählen, wie dieser Verlust das Leben der beiden Verbliebenen in der Familie verändert hat. Aber irgendwie hat auch das mich emotional nicht erreicht. Dass der 12-Jährige Ben psychisch auffällig wird, auf einmal komisch geht und summt, ist ja gar nicht so abwegig. Kann alles passieren, wenn plötzlich die schöne heile Familienwelt zusammenbricht. Aber ich lese das, fange an zu Gähnen und blättere drei Seiten vor.

Es ist alles irgendwie nicht stimmig in diesem Buch. Auch sprachlich misslingt Lohse der Wechsel zwischen den beiden Protagonisten, dem 12-Jährigen Ben und seiner Mutter Ruth, zwischen der kindlichen und der erwachsenen Verzweiflung. Vielleicht hätte er die Geschichte statt mit einer neutralen Erzählstimme besser aus wechselnden Ich-Perspektiven geschildert. Vielleicht hat er das auch zunächst gemacht, dann aber auf Empfehlung seines Lektorats noch einmal umgeschrieben. Wer weiß.

Für mich ist das alles nichts Halbes und nichts Ganzes. Der faule Gott nichts weiter als ein fauler Kompromiss. Eine Geschichte, die nicht zündet und ein Autor, der nicht überzeugt.

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Foto: Gabriele Luger

Verlag: Suhrkamp
330 Seiten, 22,00

 

 

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