Hanns-Josef Ortheil – Die Erfindung des Lebens.
Gibt es eine bessere Zeit dieses Buch zu lesen, als zwischen Weihnachten und Neujahr? Zwischen den Jahren passiert nicht viel. Man hat Zeit, sich einzulassen. Auf eine Geschichte, die so still und nichtssagend daherkommend wie der Autobiograph und seine Mutter in der ersten Hälfte dieses Romans. Es ist ein stilles Buch für die stillen Tage des Jahres.
Knapp 600 Seiten auf denen nicht viel passiert. Ein autistisch veranlagter Junge wird in einer vom zweiten Weltkrieg traumatisierten Familie erwachsen. Er liebt seine Eltern und er liebt die Musik. Er lernt spät sprechen, spielt von Tag zu Tag immer besser Klavier bis eine Sehnenscheidenentzündung eine vielversprechende Pianistenkarriere beendet. Stattdessen wird er nun Schriftsteller und schreibt ein Buch über einen autistisch veranlagten Jungen, der in einer vom zweiten Weltkrieg traumatisierten Familie erwachsen wird. Er liebt seine Eltern und so weiter und so fort.
Hab ich irgendetwas vergessen? Ich glaube nicht. Jeder kann jetzt selbst entscheiden, ob das eine lesenswerte Story ist. Spannungsbögen? Fehlanzeige. Stilistische Besonderheiten? Nein. Oder vielleicht doch. Alle zwanzig Seiten streut der Autor ein bis zwei bedeutungsschwangere Andeutungen ein. So nach dem Motto: Bleiben sie dran, es passiert noch etwas. Auf den nächsten Seiten erfahren Sie, wie ich im Musikinternat beinahe Nasenbluten bekam. Aber davon später mehr…
Eigentlich ein fürchterliches Stilelement. Und trotzdem – ich bin bis zum Schluss dran geblieben. Ich wollte wissen, warum der Autor am Ende kein Pianist sondern Autor geworden ist. Dass es letztlich nur eine profane Sehnenscheidenentzündung war, mag vielleicht autobiografisch authentisch sein – ein anderer literarischer Showdown wäre mir aber wesentlich lieber gewesen.
Aber so ist das Leben in den allermeisten Fällen nun einmal. Unspektakulär, ohne Spannungsbögen und still. So wie mein Leben in den beschaulichen Tagen zwischen den Jahren mit diesem Buch.
Gelesen: Dezember 2010
Foto: Gabriele Luger
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Mich hat das Buch umgehauen. Äußerlich mag nicht viel passieren, aber innerlich, die Seelenbeschreibungen machten für mich den Reichtum des Buches aus.
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