Kafkaesk in der Ukraine

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Olaf Kühl – Der wahre Sohn 

Es ist schon fast ein Jahr her, am ersten Geschäftstag nach Weihnachten. Das Belletristik-Regal meiner Buchhandlung war ziemlich ausgedünnt und daher schön übersichtlich. Die Titel, die mich interessierten, waren alle nicht da. Also mal schauen. Da fiel mir der niveauvoll gestaltete Einband von „Der wahre Sohn“ in die Hände. Olaf Kühl? Nie gehört. Auf dem Umschlagklapper keine Pressestimmen, sondern eine Leseprobe. Nicht schlecht. Dazu noch Longlist-Titel 2013 – gekauft.

Zuhause dann, nach den ersten hundert Seiten – Enttäuschung, Ärger, Wut! Was ist das denn? Eine Kriminalstory auf Jerry Cotton-Niveau! Nein, noch nicht mal. Da will mir doch der Autor einreden, dass der Vorstand eines großen Konzerns seinen Job riskiert, in dem er seinen Firmenwagen klauen lässt, nur damit er sechs Monate früher das neue Modell bekommt. Für wie blöd…? Dazu präsentiert sich der Protagonist als der unprofessionellste Ermittler der Welt. Stolpert in der Nachwende-Ukraine von einem Fettnäpfchen ins nächste.

Ungnädiges Augenrollen beim Leser. Aufhören? Weiterlesen? Mal schauen – fünfzig Seiten wollte ich dem Roman noch geben. Und dann auf einmal hatte er mich. Plötzlich war klar, dass es hier nicht um den Diebstahl eines Autos geht.

Das ist kein drittklassiger Kriminalroman, sondern ein erstklassiger Familienroman! Mit skurrilen Charakteren wie Svetlana, die auch mit 86 Jahren noch mit ihren weiblichen Reizen kokettiert. Oder dem falschen Sohn Arkadij, der seit Jahren in der Psychiatrie vor sich hindämmert. Mit Olha, dem verschwundenen Kindermädchen und mit Konrad, dem fast schon tollpatschigen Ermittler, mittendrin. Das alles hatte etwas schräges, morbides, je fast schon kafkaeskes.

Also nicht aufhören. Weiterlesen – es lohnt sich. Und positiv erwähnt werden sollte auch, dass der Titel des Buches tatsächlich Sinn macht. Das scheint in letzter Zeit ein wenig unmodern geworden zu sein. Nein, in Olaf Kühls Roman taucht tatsächlich „der wahre Sohn“ noch auf. Und verhilft der Story zu einem fulminanten Showdown. Fast schon wie einem echten Kriminalroman – aber einen, den Kafka hätte schreiben können.

Gelesen: Januar 2014

Foto: Gabriele Luger

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